Polt - die Klassiker in einem Band
eigentlich?“
„Vom gefährlich steilen Güterweg, der dorthin führt. Da hat es früher oft genug ein Pferdegespann erwischt, und wenn der Bauer unter den Wagen gekommen ist, dann gute Nacht.“
„Und die Wiese davor?“
„Gehört zu meinem Grund. Ich will mit dem Traktor nicht so nah an den Lößabsturz heran, darum liegt das Stück Land eben brach.“
„Der Willi war öfter dort, nicht wahr?“
„Ja. Fast jeden Tag. Noch etwas?“
„Nein. Eigentlich nicht. Oder doch. Haben Sie eine Ahnung, wie das passiert sein könnte, der Todessturz, meine ich?“
„Keine Ahnung. Ich weiß ja nicht, was in so einem Kopf vorgeht, wenig genug, vermutlich. Aber jetzt kommen Sie einmal mit, Inspektor.“
Gapmayr führte Polt kreuz und quer durch den matt erleuchteten Keller, und nach einiger Zeit hatte der Gendarm die Orientierung verloren. Schließlich kamen die beiden zu einer verschlossenen Tür. Gapmayr öffnete sie, und Tageslicht drang herein. Inspektor Polt kam sich vor wie ein Kind, das durch einen Märchenbrunnen in eine andere Welt gefallen war. Er sah hohes Gras, altes Mauerwerk, morsche Kellertüren und eingesunkene Dächer unter wuchernden Akazienstauden. „Wo sind wir hier?“
Gapmayr lachte kurz. „In einer aufgelassenen Kellergasse zwischen Burgheim und Brunndorf. Aber jetzt müssen wir zurück. Ich habe wenig Zeit, leider.“
Im Grenzland
Als Simon Polt am nächsten Morgen gegen sechs aufwachte, schaute ein wolkenbedeckter Himmel durchs offene Fenster. Der Gendarm schaute griesgrämig zurück, murmelte: „Es ist eine Lust zu leben“ und stand widerwillig auf. Das Außenthermometer zeigte 12 Grad, feiner Nieselregen ließ die Blätter der Büsche im Hof glänzen.
Polt schloff in einen schäbigen Bademantel, schlurfte in die Küche und füllte Czernohorskys Futternapf. Der Gendarm wunderte sich darüber, daß der Kater nicht schon längst neben ihm stand und Laute ausstieß, die jeden Tierschützer davon überzeugen mußten, daß hier der qualvolle Hungertod eines zum Skelett abgemagerten Katers nur noch eine Frage von Minuten war. Doch Czernohorsky zeigte sich nicht. Polt war etwas beunruhigt. Ausgedehnte Streifzüge in die benachbarten Höfe gehörten zwar durchaus zum Alltag des Katers, doch legte er großen Wert auf regelmäßige Mahlzeiten. „Na, dann eben nicht.“ Polt ging ins Badezimmer. Selten, aber doch, war es ja vorgekommen, daß sich die Abenteuerreisen seines haarigen Mitbewohners über mehrere Tage hin ausdehnten. Es bestand also wenig Grund, sich das Frühstück verderben zu lassen.
Polt kochte Kaffee, strich goldgelbe Bauernbutter auf eine dicke Scheibe Schwarzbrot, legte Hausgeselchtes vom Höllenbauern auf einen Steingutteller und füllte ein Glas mit Apfelsaft. Gemächlich kauend las er in der Lokalzeitung und bewunderte wieder einmal, wie der Redakteur das Leben auf dem Lande stilsicher mit einem internationalen Touch versah. Da gab es einen Brauchtumskirtag mit Megaclubbing, einen neuen Spielplatz für die Brunndorfer Kids , dralle Bäuerinnen im Trachtenlook, einen Feuerwehr- Event und die nimmermüde Crew des Dorfverschönerungsvereines.
Gestärkt an Leib und Gemüt, begab sich der Gendarm in seine Dienststelle. „Was dagegen, wenn ich zum Runhof fahre?“
Harald Mank schluckte erst einmal den letzten Bissen Wurstsemmel hinunter. Seit ihn seine Frau probiotisch ernährte, um die Energieflüsse im Innern ihres Angetrauten zu harmonisieren, waren zusätzliche Mahlzeiten im Büro unerläßlich geworden. „Nur zu.“ Harald Mank warf das Einwickelpapier zielsicher in den Abfallkorb. „Telefon hat der Breitwieser keins. Aber wo soll er sonst sein als zu Hause. Außerdem kannst du bei dieser Gelegenheit gleich Ausschau nach Frau Habesams Fahrrad halten.“
„Wird gemacht.“ Gendarmerieinspektor Polt nahm einen Autoschlüssel vom Haken und ging. Der Regen war ein wenig stärker geworden, und die Wolken hingen tief. Neue Scheibenwischer wären keine schlechte Idee, dachte Polt und überlegte dann, wo er das vermißte Fahrrad finden könnte. Bisher war die Untat stets mit einem gewissen Einfallsreichtum einhergegangen. Polt fuhr also erst einmal zum Burgheimer Müllablageplatz und erkundigte sich, ob hier vielleicht ein eigentlich noch nicht schrottreifes Fahrrad aufgetaucht sei. Er hielt auch an der Hubertuskapelle hoch über dem Talboden Nachschau, und dann bremste er auch noch am neuen Brunndorfer Feuchtbiotop. Hier wurde der Gendarm fündig. Das Fahrrad stand,
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