Polt - die Klassiker in einem Band
Komposition geändert haben, aber schließlich kam es auf den Einklang der Gegensätze an, auf die Harmonie im Chaos. Frau Habesam tauchte aus der dämmrigen Wunderwelt ihrer Lagerräume auf, erschrak beim Anblick des lädierten Gendarmen und sagte dann überraschend sanft: „Um Himmels willen, Inspektor. Kann ich Ihnen helfen?“
Polt betrachtete interessiert eine Fernsehleuchte in Form einer venezianischen Gondel. „Mir geht es ganz gut, Frau Habesam.“
„Männergeschwätz. Aber meinetwegen. Und was führt Sie zu mir?“
„Eigentlich nichts.“ Polt hatte die Gondel wieder ins Regal gestellt und bewunderte nun einen Schwan aus weißem Porzellan, in dessen hohlem Rücken eine gelbe Kerze steckte. „Oder doch. Ich habe eine Neuigkeit für Sie. Ihr Fahrrad wird nicht wieder gestohlen werden.“
Frau Habesams kleine Augen blitzten auf. „So! Und wer war’s?“
„Sag ich nicht.“ Polt griff gedankenverloren nach einem Stück Lilienmilchseife und roch daran.
„Ist auch nicht notwendig.“ Zu Polts Erstaunen stahl sich ein mütterliches Lächeln in Frau Habesams Gesicht. „Und sagen Sie den kleinen Banditen, daß sie bei mir wieder einkaufen können. Einkaufen habe ich gesagt, nicht stehlen.“
Polt grinste. „Geht in Ordnung. Bis bald also!“
„Warten Sie einen Augenblick, Inspektor.“ Frau Habesam warf Polt einen verschwörerischen Blick zu. „Sie sollen erfahren, wie klug es ist, eine ehrsame Kauffrau zu unterstützen.“ Sie ging nach hinten, kam gleich wieder und drückte Polt ein klein zusammengefaltetes Stück Papier in die Hand. „Damals, als die Geschichte mit den gestohlenen Schokobananen passiert ist, habe ich die vier Knaben natürlich gefilzt. Und mir entgeht nichts. Nehmen Sie’s nur mit.“
„Danke!“ Polt schob das Papier in die Hosentasche und schaute zur Tür. Manfred Wieser, der Vater von Klaus, trat ins Geschäft. „Ich habe Ihr Fahrrad draußen gesehen, Inspektor, ich muß mit Ihnen reden, sofort.“
„Ja?“ Polt fühlte sich unbehaglich.
„Sie waren mit dem Klaus und den anderen zusammen. Seitdem hat der Bub noch keinen Bissen gegessen und einschlafen hat er auch nicht können. Was haben Sie mit ihm angestellt?“
„Gar nichts. Mich hat nur interessiert, ob die vier vielleicht beim Spielen etwas gesehen haben, was mich in der Sache mit dem Willi weiterbringt.“
Nach kurzem Schweigen schaute Manfred Wieser Polt an. „Was Sie mit diesem Willi aufführen, ist Ihre Sache. Aber wenn Sie noch einmal meinen Buben so verschrecken, können Sie was erleben. Verstanden?“
„Verstanden“, sagte Polt und dachte an das Stück Papier in seiner Hosentasche.
Die Früchte des Zorns
Polt war auf kürzestem Weg nach Hause gefahren und saß nun am Küchentisch, das auseinandergefaltete Blatt Papier vor sich. Eine Zeichnung gab die Gegend um Burgheim und Brunndorf wieder. Die verlassene Kellergasse war gelb umrandet, daneben stand Niemandsland und Wolkenburg. Ein blauer Rand umschloß den Lößabsturz. Felsheim las Polt und Räuberhöhle. Dann gab es noch zwei dick unterstrichene Wörter. Unter dem einen – Beobachtung – waren der Runhof, der alte Ziegelofen und das Zollhaus angeführt, in dem ein greiser Privatgelehrter wohnte. Unter dem anderen Wort – Abschiebung – stand nur ein Name: Willi .
Polt seufzte tief und strich mit der Hand über seine Augen. Dann wählte er langsam Karin Walters Nummer. Zum ersten Mal in seinem Leben freute er sich nicht darüber, ihre Stimme zu hören. Er beschloß, erst gar nicht lange herumzureden. „Eine böse Sache, Karin.“ Weil er keine Antwort bekam, fuhr er fort. „Frau Habesam hat den Buben ein Schriftstück abgenommen, und heute hat sie es mir gegeben. Eine Art Plan von ihren Abenteuerspielplätzen. Unter anderem steht aber noch etwas drauf.“
„Was?“ Karins Stimme klang dünn.
„Abschieben. Willi.“
„Nein.“
„Wenn ich es dir sage.“
„Was wirst du tun?“
„Den Manfred Wieser anrufen. Vielleicht ist er doch einverstanden, daß ich noch einmal mit seinem Buben rede, wenn er dabei ist.“
„Und irgendwann sind sich Vater und Gendarm einig und machen den Klaus fertig.“
„So habe ich das nicht gemeint.“
„Wie sonst?“
„Ich möchte eben verhindern, daß die Sache offiziell wird. Mit diesem Abschieben war vielleicht nur gemeint, daß sie den Willi nicht in ihrem Revier haben wollten.“
„Mach, was du willst, Simon.“
„Was soll das wieder heißen?“
„Daß ich ratlos bin. Und daß ich
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