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Polt muss weinen

Polt muss weinen

Titel: Polt muss weinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Komarek
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ginge irgendwann am nächsten Wochenende«, überlegte er, »nach Dienstschluß, gegen Abend also.«
    »Superb!« Swoboda war schon fast wieder der alte. »Sagen wir Samstag, gegen sechs in meinem Haus? So lernen Sie wenigstens auch noch meine Frau kennen. Und wir fahren dann gemeinsam zum Keller.«
    »Also gut. Bis nächste Woche dann!« Polt stand auf, Swoboda begriff erstaunlich rasch, daß der Gendarm wenig Wert auf sein Bleiben legte, und verabschiedete sich.
     
    Unter Kennern
     
    Eine Woche später stieg Simon Polt vor einem der neuen Siedlungshäuser am Stadtrand von Burgheim vom Fahrrad und lehnte es an den Gartenzaun. Dann drückte er auf den großen Klingelknopf aus Messing und hörte im Haus statt einer Klingel die elektronisch vergewaltigten ersten Takte von Beethovens Neunter Symphonie. Florian Swoboda trat heraus, rief: »Hallöchen, Inspektor!« und winkte ihm eifrig, weiterzukommen.
    Polt wurde in ein geräumiges Wohnzimmer geführt, dessen Einrichtung sicher sehr teuer gewesen war. Der Gendarm konnte aber mit dem Raum nichts Rechtes anfangen: Er wirkte attraktiv, ohne wirklich schön zu sein, war wohnlich, aber nicht behaglich. Ein wenig kam es Polt so vor, als wäre er in ein dreidimensional gewordenes Foto aus einem Einrichtungskatalog geraten. In einem der großen beigefarbenen Lederfauteuils saß Dipl.-Ing. Pahlen. Er legte die großformatige Tageszeitung, die er gelesen hatte, beiseite, stand auf und reichte Polt die Hand. »Nett, Sie unter fast schon normalen Umständen wiederzusehen, Herr Inspektor!«
    »Keine Förmlichkeiten, liebe Freunde!« rief Swoboda, »betrachtet meine bescheidene Höhle als die eure. Ach, da kommt ja auch die Zierde des Hauses, die Sonne meiner Tage und der Glanz meiner Nächte. Darf ich vorstellen? Brigitte! Wahre Freunde nennen sie Bibsi.«
    Simon Polt, der die Frau beim Begräbnis nicht so sehr beachtet hatte, reichte ihr die Hand, sagte »Freut mich!« und faßte sie ein wenig genauer ins Auge. »Bibsi« war erschreckend fett, ohne aber deshalb rundlich zu wirken. Harte graublaue Augen und ein dünner, gerader Mund standen in einem eigenartigen Gegensatz zu ihrer amorphen Erscheinung.
    »Die drei Herren haben also eine Saufpartie vor«, stellte sie emotionslos fest. »Immerhin etwas, was sie wirklich können. Aber nimm das zur Kenntnis, Florian, ich lenke das Auto.«
    »Wie überaus liebenswert und vernünftig!« gab sich ihr Mann begeistert, und wenig später saßen die vier in einem japanischen Geländewagen, den Swoboda wohl gekauft hatte, weil die Zufahrt zu seinem Preßhaus eine Sandstraße war und kaum merklich, aber doch anstieg.
    Von außen schaute der Weinkeller des Wieners in Brunndorf nicht so übel aus, sah man von einem farblos lackierten Holzschild ab, auf dem »Flo’s Weincomptoir« zu lesen stand. Innen fiel der Blick zuerst auf eine große hölzerne Weinpresse. Die eingeschnitzte Jahreszahl 1909 war mit Goldfarbe hervorgehoben. Es gab auch eine Weintraubenbutte mit glänzend schwarz lackierten Metallreifen. Die Wände des Preßhauses hatte ein hartherziger Maurer frisch verputzt und nachhaltig begradigt. Polt kannte auch viele Weinbauern, denen so etwas durchaus gefiel, und er konnte es ihnen nicht verübeln, wenn sie die Wände »ordentlich« und »modern« haben wollten: Ihre Vorfahren hatten ja auch so gebaut, wie es ihren Möglichkeiten und dem Geschmack der Zeit entsprach. Doch Polt trauerte den krummen und buckeligen Preßhausmauern nach, die wie eine Landschaft waren, in der man mit den Augen Spazierengehen konnte.
    »Wenn ich bitten darf!« Florian Swoboda wies mit großer Geste auf eine Sitzgruppe aus Eichenholz, die so ausschaute, wie man sich eben rustikale Behaglichkeit vorstellte. Über dem lackierten Holztisch baumelte an einer dünnen Kette ein schwarzes Schild mit der Aufschrift »Flo’s Degustationscorner«.
    »Ich habe übrigens ein paar volle Fässer im Keller«, erzählte Swoboda stolz, »von meinem Preßhausnachbarn, dem Einziger Martin. Ich habe ein Stück Weingarten von ihm gepachtet, er macht für mich die Arbeit, behält den Wein und überläßt mir ein paar Faß voll.«
    »Also hatten Sie auch Gärgas?« fragte Inspektor Polt interessiert.
    »Freilich. Aber kaum der Rede wert. Es liegt ja nicht allzuviel Wein unten.«
    »Darf ich kurz hinunter? Keller machen mich immer neugierig!«
    »Tut mir leid, mein Allerbester, nein«, lehnte sein Gastgeber erstaunlich schroff ab. »Der Keller ist mein Heiligtum. Und zwar nur

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