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Polt muss weinen

Polt muss weinen

Titel: Polt muss weinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Komarek
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und das lag durchaus im Interesse der Männer. Milder gestimmt, versuchte er zu erklären: »Die Kellergassen sind über zweihundert Jahre alt. So, wie sie heute dastehen, erzählen sie ehrlich ihre Geschichte und zeigen einfach her, wozu sie gut sind.«
    »Im Gegensatz zu uns beiden«, lachte die Lehrerin.
    »Wie? Ach so, ja, natürlich.« Simon Polt kam sich ziemlich lächerlich vor. Aber er redete weiter, mit dem Mut der Verzweiflung. »Ich meine, wenn man die Keller und Preßhäuser nicht mehr sein läßt, was sie sind, kann das nicht gutgehen.«
    »Geht dann die Welt unter, oder was?«
    »Nein. Aber die Kellergassen wären dann nur noch Masken mit toten Gesichtern dahinter, verdammt noch einmal, verstehen Sie das nicht?« Er verstummte in der Gewißheit, den dümmsten Satz seines Lebens im ungeeignetsten Augenblick gesagt zu haben. Doch es geschah etwas Erstaunliches: Fräulein Karin Walter, Pädagogin hierorts, stellte sich auf die Zehenspitzen und gab Simon Polt einen federleichten Kuß auf die rechte Wange. »Danke«, sagte sie leichthin und fügte ohne erkennbares Bedauern hinzu: »Jetzt muß ich mich aber verabschieden. Ich bin bei Freunden eingeladen, zum Mittagessen!«
    »Viel Spaß noch!« antwortete Polt tapfer und bemühte sich, besagte Freunde nicht allzu unsympathisch zu finden. Er schaute sinnend der Lehrerin nach und hätte schwören können, daß sie sich etwas beschwingter bewegte als sonst, weil sie ahnte, daß sie beobachtet wurde. »Einbildung«, rief sich der Gendarm zur Ordnung, ging gemächlich zum Gasthaus Stelzer zurück, holte sein Fahrrad hervor und machte sich auf den Heimweg.
    Zu Hause angelangt, gab er dem konsternierten Kater Czernohorsky je einen Kuß auf beide pelzigen Wangen und noch einen auf die feuchte Nasenspitze. Dann stellte er einen Topf mit Wasser und ein paar Erdäpfel auf den Herd und las erst einmal in Ruhe die Sonntagszeitung, die er von einem Selbstbedienungsständer mitgenommen hatte, natürlich nachdem er sie bezahlt hatte. Als dann die Erdäpfel weich waren, schreckte er sie mit kaltem Wasser ab und verbrannte sich beim Schälen doch ein wenig die Finger. Frohgemut vor sich hin fluchend, holte er eine dicke Zwiebel aus dem Küchenkasten, schälte sie und schnitt sie in kleine Stücke. In einer schweren Eisenpfanne ließ er Fett heiß werden, röstete die Zwiebel hellbraun, gab die zerteilten Erdäpfel und in Räder geschnittene Knoblauchwurst dazu, würzte beherzt mit Salz, Pfeffer und ein wenig Majoran, und während er die Pfanne schüttelte, sog er genießerisch den kräftigen Duft ein. Dann häufte er das eindrucksvolle Gericht auf einen dicken Steingutteller mit blauem Rand und begann mit inniger Hingabe zu essen. Später lehnte er sich zurück, schwer von sattem Behagen und gleichzeitig unirdisch leicht, unendlich träge, aber auch voller ungebärdiger Gedanken.
    Lange saß Simon Polt so da, und nur ungern stand er endlich auf, um sich zu entkleiden und ins Bett zu legen. Er schlief fest und träumte verwegen, als ihn ein lautes Pochen an seiner Haustür weckte.
    Erst versuchte Polt, das Klopfen in seine Träume einzubauen. Als ihm das nicht gelang und er wach wurde, beschloß er, die Störung zu ignorieren. Doch auch das erwies sich als unmöglich: Immerhin war er Gendarm, wenn auch außer Dienst. Also kroch er, Verwünschungen murmelnd, aus dem Bett, schloff in einen uralten Bademantel, fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und öffnete die Tür.
    Draußen stand Florian Swoboda. »Hallöchen!« sagte er kleinlaut. »Ich weiß nicht, wie ich anfangen soll…«
    »Irgendwie eben«, brummte Inspektor Polt gutmütig. »Kommen Sie herein!«
    »Nun, es ist so…« Swoboda schien seine aufgeblasenen Allüren vorerst vergessen zu haben, »…soweit ich mich erinnern kann, habe ich mich neulich ganz schön danebenbenommen.«
    »Na ja. Schon«, sagte Polt ohne Nachdruck.
    »War riesig nett von Ihnen, daß Sie mich nach Hause gebracht haben.« Swoboda schien erleichtert zu sein, als er sah, daß ihm seine nächtlichen Eskapaden offensichtlich nicht allzu übel genommen wurden. »Ich hätte Sie zum Dank gerne bei Gelegenheit in meinen Weinkeller eingeladen. Kleine Verkostung…, ich habe da einige Raritäten im Keller, die nicht von schlechten Eltern sind.«
    Simon Polt verspürte nicht die geringste Lust, Swobodas Preßhaus von innen kennenzulernen. Andererseits wollte er schon ganz gerne wissen, was dieser eigentümliche Mensch und seine Freunde so trieben. »Es

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