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Polt muss weinen

Polt muss weinen

Titel: Polt muss weinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Komarek
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wirtschaftlich überleben zu lassen.«
    Polt sagte lange nichts und dachte gründlich nach. »Ich habe das bisher nie so gesehen«, gab er endlich zu. »Andererseits, auch wenn es nur um einen Teil der Kellergasse geht, der eine Feriensiedlung werden soll, ist mir ein ehrlicher Verfall immer noch lieber als ein vorgetäuschtes Leben.«
    »Vielleicht haben Sie wirklich recht«, sagte der Architekt seufzend. »Außerdem war Albert Hahn nicht der richtige Partner für ein derart sensibles Unterfangen. Ihm ging es wohl hauptsächlich darum, Preßhäuser billig zu erwerben und möglichst viel Geld aus ihnen herauszuschlagen - und zwar ohne kleinliche Rücksichtnahme.«
    »Darf ich die so überaus klugen Herren unterbrechen?« meldete sich Swoboda zu Wort. »Ich möchte den Star des Abends präsentieren: einen Süßwein aus dem Bordeaux, Sauternes, Departement Gironde, um genau zu sein, Premier Grand Cru Classe 1988. Ein großer Jahrgang, wie wir alle wissen, und nur für einen stolzen Preis zu haben, Herr Inspektor: irgendwelche zweitausend Flocken.«
    Swoboda wollte gerade zur Flasche greifen, als wieder einmal Bruno Bartl seine Kreise störte. Wie ein lächerlicher Gnom stand er in der halboffenen Preßhaustür, trat langsam, doch ohne zu zögern näher und setzte sich an den Tisch. »Es ist doch erlaubt?« In seiner Stimme war keine Unsicherheit, schon eher etwas Feindseliges. Swoboda zuckte mit den Schultern, nahm ein einfaches Glas und stellte es wortlos vor Bartl hin, der aber verweisend den Kopf schüttelte. »Ich will schon auch so ein schönes, zerbrechliches.«
    Swoboda warf ihm einen unwilligen Blick zu, tauschte aber dann Bartls Glas aus und versuchte ihn fortan zu ignorieren. Zu den anderen gewandt, setzte er die unterbrochene Zeremonie rund um den »Star des Abends« fort: »Überwältigende Fülle, meine Herren, exotische Aromen, wie man sie kaum zu erträumen wagt! Eigentlich sollte ich den raren Burschen erst ein paar Jahre später verinnerlichen, aber wer weiß, wo wir dann sind!«
    Alle tranken, Bartl trank natürlich auch, und er hielt es nicht mehr für nötig, Worte zu verlieren.
    »Verdammt noch einmal«, sagte da plötzlich Swoboda, »mit einem Mal habe ich Lust auf einen riesigen Humpen vom billigsten Roten, den ich im Keller habe.
    »Ich eigentlich auch«, murmelte Pahlen und wandte den Blick ab, als ihn Polt erstaunt anschaute.
    »Schluß jetzt«, war »Bibsis« harte Stimme zu vernehmen. »Die Herren Clowns und der Herr Inspektor werden meine freundliche Einladung zur Heimfahrt gerne annehmen. Und du, Bruno, hast ja nicht weit zu deinen gelben Kühen.«
     
    Inspektor Polt geht in die Knie
     
    Pater Virgil Winter, der Pfarrer von Burgheim, zuständig auch für Brunndorf, hatte zum Pfarrfest geladen. Dafür gab es mehrere gute Gründe, die er jedem gerne erläuterte, der sich dafür interessierte: Die Pfarre brauchte dringend Geld, weil die Orgel in der Burgheimer Kirche schon mehr stöhnte, als sie klang; der Pfarrer wollte wieder einmal ein wenig mehr von seiner Gemeinde um sich haben, als er in der Kirche zu sehen bekam, und nicht zuletzt hoffte er, daß die nachhaltige Ermunterung zu geselligem Zusammensein auch die Konjunkturlage bei Hochzeiten und Taufen beleben würde. Natürlich war von Fall zu Fall damit zu rechnen, daß sich ein Pärchen nicht an die löbliche Reihenfolge hielt, doch Pater Virgil brachte es einfach nicht über sich, süße Verwirrung und jugendlichen Überschwang als wirklich schlimme Sünden zu betrachten.
    Im großen Garten, der sich hinter dem alten Pfarrhaus bis zum Ufer des Wiesbaches erstreckte, standen einfache Tische und Bänke unter den Bäumen. Amalie Pröstler, des Pfarrers unerbittliche Köchin, hatte sich geweigert, einen der neuerdings bei Festen so beliebten Griller aufzustellen. Ihre durchwegs barocken Vorstellungen von klerikaler Gastlichkeit manifestierten sich in kalten Braten aller Art, gewaltigen Portionen von jener Haussulz, für die sie mit Recht gerühmt wurde, pikanten Brotaufstrichen und opulenten Salaten. Auf einem eisernen Küchenherd hielt sie eine himmlisch scharfe Gulaschsuppe und einen Eintopf am Köcheln, dessen geheimnisvoller Reichtum an inneren Werten auch ungläubige Esser zu demütig-dankbaren Genießern bekehrte. Von der Süße gottgefälligen Lebens hingegen zeugten selbdritt Apfelstrudel, Kirschenstrudel und Traubenstrudel. Der Pfarrer seinerseits hatte in aufopfernden Selbstversuchen bei den besten Weinhauern von Burgheim und

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