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Polt muss weinen

Polt muss weinen

Titel: Polt muss weinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Komarek
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meins. Da bin ich ziemlich eigen. Aber wenn Herr Inspektor meinen, unbedingt dienstlich zu müssen…«
    »Ich habe dienstfrei«, brummte Polt, »außerdem ist das Ihr Keller, nicht wahr?«
    »Jaja, und ob.« Swoboda öffnete hastig die Türen eines Schrankes und holte filigrane, langstielige Weingläser einer bekannten Marke hervor. »Ganz schön teuer und noch dazu heikel, die Dinger, aber für einen wirklichen Kenner eigentlich unverzichtbar.«
    »Natürlich«, sagte der Gendarm geduldig und tauschte einen vorsichtigen Blick mit Pahlen, der leise lächelte.
    »Ich denke«, sagte der Gastgeber geziert, »wir machen einen weiten Bogen um den Blauen Portugieser, den Grünen Veltliner und andere heimische Banalitäten. Dürfte ich vielleicht als elegante Ouvertüre…« - er nahm ein in bordeauxrotes Leder gebundenes Kellerbuch aus der Tischlade und blätterte darin - »… nun, ja, vielleicht einen Chablis von Regnard & Fils vorschlagen? Einen Jahrgang 1992, höchste Zeit also, daß er wegkommt.«
    Swoboda verschwand im Keller, kam wenige Minuten später mit der angekündigten Flasche wieder, entfernte mit einem Messerchen das Stanniol, setzte einen modernen, sonderbar geformten Korkenzieher an, wie ihn Polt noch nie gesehen hatte, befestigte den Korken an einem Kettchen, das er über den Flaschenhals streifte, und füllte die Gläser halb. Dann nahm er sein Glas, hob es, um die Farbe zu prüfen, schwenkte es mit einer gezierten Handbewegung, senkte flüchtig die Nase und sagte bedeutungsschwer: »Jaja.« Polt seufzte, weil er das Getue nicht mochte. Als Swoboda kostete, schloß er die Augen, blieb eine Weile sinnend still und verkündete dann: »Reintönig, rassige Säure. Der Körper von Frucht und Mineraltönen bestimmt.«
    »Das hat er aus dem Katalog des Händlers«, dachte Polt, während die Gläser aneinanderstießen. Er nippte erst und ertappte sich dabei, daß er diesen Wein gar nicht richtig kennenlernen und genießen wollte, diesen importierten Fremdling. Dann trank er, wie die anderen auch, und fand den hellfarbenen, leichten Wein dennoch gar nicht so übel, wenn er ihn auch lieber jung getrunken hätte. »Darf ich unhöflich sein? Was hat die Flasche gekostet?« fragte er.
    »Die Polizei darf alles wissen! Irgendwelche 180 Alpendollar, wenn ich mich recht erinnere«, antwortete Swoboda. Polt dachte an die sieben Schilling, die der Kurzbacher letztes Jahr vom Weinhändler für einen Liter bekommen hatte, und Erbitterung stieg in ihm hoch. Er sagte aber nichts und begnügte sich damit, sein Glas mit einem unwilligen Schluck zu leeren.
    »Unseren Gast dürstet!« kommentierte Swoboda heiter. »Kenn ich von mir!«
    Wieder fing der Gendarm einen Blick des Architekten auf, der zu sagen schien: »Peinlich, nicht wahr?«
    Während Swoboda in der nächsten Stunde Flasche um Flasche heraufholte und seine eingelernten Kommentare aufsagte, lag trotz seiner aufgesetzten Heiterkeit eine beklemmende Stimmung über der kleinen Runde. Der Architekt beschränkte sich darauf, dann und wann eine ironische Bemerkung fallenzulassen, »Bibsi« Swoboda trank Mineralwasser und starrte stumm vor sich hin, während Simon Polt nicht recht wußte, was er sagen sollte. Irgendwann hielt er das Schweigen zwischen den Monologen des Gastgebers nicht länger aus und wandte sich an Pahlen. »Entschuldigen Sie, wenn ich das Thema anschneide, aber es interessiert mich sehr. Wie war das denn genau mit dem geplanten Feriendorf in der Kellergasse? Sie und Herr Hahn haben doch zusammengearbeitet?«
    »Ja und nein«, antwortete Pahlen. »Sie können sich vorstellen, wie sehr mir das gewachsene Ensemble einer Kellergasse am Herzen liegt: naive Architektur von beachtlichem Wert, noch dazu weltweit einzigartig in dieser Ausprägung.«
    »Und trotzdem…?« Polt fiel ihm fast ins Wort.
    »Ja, trotzdem…« Der Architekt nahm nachdenklich einen Schluck vom Brunello aus der Toskana, der eben auf dem Tisch stand. »Sie wissen ja, wie es um die Kellergassen steht. In dieser hier gibt es an die 400 Preßhäuser - mehr, als Brunndorf Einwohner hat. Viele Gebäude verwahrlosen oder werden verkauft und wenig zartfühlend zu Wochenendhäusern umgebaut. Meine Überlegung war die: Ich gestalte eine der beiden kleineren Kellergassen zu einem Feriendorf um, ohne auch nur das Geringste an den Fassaden zu ändern. Damit wäre das Ensemble als Ganzes gerettet, und der Fremdenverkehr würde dazu beitragen, den Rest der Kellergasse lebendig zu erhalten und

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