Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Polt muss weinen

Polt muss weinen

Titel: Polt muss weinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Komarek
Vom Netzwerk:
Freund! Einen Sack über den Kopf, damit er keinen von uns erkennt, dann Prügel, bis er eine Weile liegenbleibt und bis sich der Besuch beim Amtsarzt wirklich auszahlt.«
    »Angenommen, er wäre für immer liegengeblieben?«
    »War auch nicht die schlechteste Lösung gewesen!« Mike grinste wieder. »Aber da war eben jemand schneller als wir. Und schlauer.«
    »Allem Anschein nach war es ein Unfall«, sagte Polt ohne besondere Überzeugungskraft.
    »Mir auch recht.« Mike deutete mit dem Daumen auf den Beifahrersitz. »Wie wär’s mit einer Rückkehr in die Zivilisation?«
    »Recht so.« Polt bestieg ohne erkennbare Grazie das Motorrad. »Kommst du noch mit zum Franzgreis, auf einen Schluck?«
    »O.k.«
    Minuten später betraten die beiden einträchtig das Wirtshaus. Franzgreis warf ihnen einen erstaunten Blick zu, schaute dann aber wieder so drein wie immer. »Was soll’s denn sein?« Er wischte mit einem karierten Geschirrtuch über die Schänk.
    »Ein Bier bitte«, sagte Polt, »ein großes, dringend.«
    »Ein Coke«, ergänzte Mike und fügte erklärend hinzu: »Alk verträgt sich nicht mit Motorradfahren.«
    »So sieht es das Auge des Gesetzes gerne«, schmunzelte Polt anerkennend und griff nach seinem Bier.
     
    In Höllenbauers Keller
     
    Ein paar Tage später kam Simon Polt abends vom Dienst nach Hause und wunderte sich über den jungen langhaarigen Maurer, der an der Hausmauer herumschabte. Als er näher kam, sah er, daß in den alten Jeans und der weiten Arbeitsjacke Erika steckte, die junge Höllenbäuerin. »Hallo Simon!« sagte sie und schabte emsig weiter. »Dem Maurer fehlt die Geduld für so eine Arbeit. Aber mich freut’s, wenn das Haus wieder so wird, wie es war.«
    Seit Monaten waren die zwei Höllenbauern mit Feuereifer daran, den ererbten Hof von allen Scheußlichkeiten zu befreien, die man sich im blinden Modernisierungseifer der 6oer Jahre eingebildet hatte. »Übrigens läßt dir der Ernstl sagen, daß er im Keller ist, weil Kundschaft kommt. Wenn du Lust hast…?«
    Simon Polt hatte sogar sehr große Lust. Der Höllenbauerkeller war für ihn ein dunkler Himmel unter der Erde, auch wenn der Pfarrer diese Einschätzung aus theologischen Gründen nicht so recht teilen wollte. Der Gendarm außer Dienst holte also sein schwarzes Fahrrad hervor und machte sich zielstrebig auf den Weg in die Burgheimer Kellergasse. Normalerweise stieg er ab, sobald der Weg steiler wurde, und schob das Fahrrad neben sich her. Diesmal hinderte ihn allerdings drängende Ungeduld daran, und die letzten Meter bis zum Ziel trat er sogar stehend in die Pedale. Rotköpfig und außer Atem, aber frohen Sinnes strebte er der Kellertür zu, die sich neben dem großen Preßhaus in die Tiefe öffnete.
    Eine steile, aus Ziegeln gemauerte Treppe führte nach unten. Simon Polt wußte, daß sie aus 42 Stufen bestand, und jede davon war anders geformt, mit runden Kanten, Buckeln und Gruben, entstanden im vertrauten Dialog mit den Schritten der Kellermänner. Viele Generationen von Höllenbauern waren diesen Stufen kellerwärts gefolgt und hatten sich eine geraume Zeit später von ihnen nach oben helfen lassen. Polt ärgerte sich jedesmal darüber, wenn irgendwelche Fremde diese alten Stufen gedankenlos unter die Füße nahmen, ohne zu spüren, was sie zu erzählen hatten.
    Als der Gendarm in der kühlen Tiefe angelangt war, blieb er stehen und schaute sich um: In einem mit Ziegeln gewölbten, ungewöhnlich weiten und hohen Keller reihten sich dicht an dicht gewaltige Holzfässer. Ein kleinerer Seitengang nach rechts bot Raum für einen Stapel dunkel glänzender Weinflaschen, deren Korken von schwarzem Kellerpilz umwuchert waren. Nach links führte ein enger Durchlaß in eine zweite, nicht ganz so hohe Kellerröhre, die der größeren Wölbung parallel folgte. Von dieser, wußte Polt, zweigten viele kleinere Gänge ab, die, in verspielten Windungen, sachte ansteigend, dann wieder abfallend, ins Dunkel führten, unvermutet ineinander mündeten oder auch in heimlichen Nischen endeten. In diesem Teil des Kellers gab es kein elektrisches Licht, und nur Banausen entzauberten das geheimnisvolle Reich der Tiefe mit einer Taschenlampe. Wer aber seinen Weg bei Kerzenlicht suchte, löste nach und nach flackernde Bilder aus der Dunkelheit, sah die Konturen alter Inschriften und Zeichnungen hervortreten, und wunderlich bewegte Schatten an den krummen Wänden baten Gedanken und Träume zum Tanz. Polts Dienststellenleiter, Harald Mank, war

Weitere Kostenlose Bücher