Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Polt muss weinen

Polt muss weinen

Titel: Polt muss weinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Komarek
Vom Netzwerk:
Tag.« Ein von moralischer Entrüstung durchzittertes Schweigen folgte. »Wenn’s wenigstens eine Junge gewesen war«, fügte der Sepp endlich hinzu. »Und jetzt möchte ich ihn kosten, deinen Weißburgunder.«
    Der Höllenbauer füllte die Gläser. »Achtzehneinhalb Grad Klosterneuburger Mostwaage«, erläuterte er von Fachmann zu Fachmann, »7,9 Promille Säure, trocken.«
    Ruhig zelebrierten die drei das genußreiche Ritual des Kostens, dann legte der Sepp den Kopf schief. »Allerhand. Die Säure gibt ihm das Rückgrat.« Er trank noch einen Schluck, um seine Expertise bestätigt zu finden.
    Während er noch schlürfte, waren Schritte auf der Kellerstiege zu hören. Herr Hartmann hatte es diesmal ziemlich eilig. »Einen wunderschönen Sonntag, alle miteinander!« grüßte er freundlich, warf aber gleichzeitig einen nervösen Blick auf seine Vier-Preßhäuser-Uhr. »Es tut mir wirklich leid, mein lieber Herr Höllenbauer, aber wir müssen uns heute beeilen. In Wien wartet ein Scheich aus Dubai auf mich, der vermutlich jeder seiner einundzwanzig Angetrauten eine Uhr schenken möchte, keine billige, versteht sich. In solchen Fällen ist nicht einmal die Sonntagsruhe heilig, nicht wahr?«
    »Jaja«, sagte der Höllenbauer zerstreut, weil er soeben darüber nachdachte, was er wohl mit seiner Erika in einundzwanzigfacher Ausfertigung anfangen sollte.
    »Na ja«, brummte Sepp Räuschl, der städtischen Wertordnungen mit unverhohlenem Mißtrauen gegenüberstand.
     
    Wenig später war Herrn Hartmanns Auto mit Weinkartons beladen, und der Höllenbauer kehrte gemächlich in die Tiefe zurück. »Nichts war’s mit der noblen Weinkost«, sagte er ohne erkennbares Bedauern, »tun eben wir weiter.«
    »Red nicht soviel, laß lieber die Luft aus den Gläsern!« Ein entschlossenes Funkeln war in die Augen von Sepp Räuschl getreten.
    Ein Riesling kam an die Reihe, Jungfernlese, dann folgten ein Blauer Portugieser, ein St. Laurent und ein Zweigelt. Nach und nach verebbten die Gespräche und machten einem genießerischen Schweigen Platz. Polt spürte, wie die Welt um ihn ihre Schwere verlor, wie die Kellergewölbe sich öffneten und nur noch vage Strukturen zwischen Licht und Dunkelheit zeichneten. Hier unten sind die Toten nicht weit weg, dachte er, und der alte Höllenbauer fiel ihm ein, noch kein halbes Jahr unter der Erde. Polt sah ihn vor sich, wie er einen jungen Rotwein kostete, erst einmal stutzte und dann die Sonne in seinem gutmütigen Gesicht aufleuchten ließ. »Jungfräulich aggressiv«, war sein liebevolles Urteil, und mit dem zweiten Schluck gönnte er sich schon die Vorfreude auf künftige Harmonie.
    Warum, zum Teufel, drängte sich jetzt dieser Albert Hahn ins Bild?
    »Hat der Wein was?« fragte Polts Freund, der ihn beobachtet hatte.
    »Aber nein. Der verdammte Gärgastod in Brunndorf ist mir wieder einmal eingefallen.«
    »Ah, der liebe Herr Hahn!« Sepp Räuschl redete schon ziemlich laut. »Ich habe einen Tschechen als Hilfsarbeiter, den Jindrich. Na, der hat mir Geschichten erzählt.«
    »Welche denn zum Beispiel?« fragte Polt widerwillig.
    »Na, daß der Hahn im Keller einen Schacht hat ausheben lassen, als Grab für seine Schätze, wie er lachend gesagt hat.«
    »Und weiter?«
    »Nichts weiter. Die Arbeiter sind im Streit gegangen, weil er wie üblich nicht gezahlt hat.«
    »Sag einmal, Simon«, mischte sich der Höllenbauer ein, »glaubst du wirklich noch immer, daß es ein Unfall war?«
    »Warum nicht?« fragte Polt verstockt zurück.
    Sein Gegenüber ließ nicht locker. »Ich bin ein Weinbauer, kein Gendarm. Aber es gibt doch eine Menge Leute, die gute Gründe hatten, den Herrn Hahn umzubringen. Und für einige von denen hat es ja auch eine unverdächtige Möglichkeit gegeben: das Gärgas.«
    »Ja, für jeden, der ein paar Minuten unbemerkt in einem Keller, der zum Hahnkeller eine Verbindung hat, hantieren konnte.«
    »Und was ist daran so unwahrscheinlich?«
    »Seit ich hier Polizist bin, und das sind jetzt bald zehn Jahre, ist noch kein Weinbauer auf die Idee gekommen, etwas Unerlaubtes mit Gärgas anzustellen. Das paßt einfach nicht zu denen.«
    »Es hat hier bei uns aber auch noch nie so einen Menschen wie den Hahn gegeben. So einer stirbt nicht zufällig, laß dir das gesagt sein, Simon, alter Knabe. Ganz abgesehen davon: Muß es denn wirklich ein Weinbauer gewesen sein?«
    »Und wenn du tausendmal recht hast. Es gibt nicht einen einzigen handfesten, konkreten Verdacht.«
    »Aber du läßt nicht

Weitere Kostenlose Bücher