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Polt muss weinen

Polt muss weinen

Titel: Polt muss weinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Komarek
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einmal mit ihm hier unten gewesen und hatte mit freundlicher Bosheit angemerkt, dieses zielstrebige Sichverirren in einem Labyrinth, dessen Struktur nur zu erahnen war, erinnere ihn verteufelt deutlich an die Arbeitsweise eines ganz bestimmten Mitarbeiters. Nie wäre es Polt in den Sinn gekommen, seinem Vorgesetzten zu widersprechen, noch dazu, wo er doch nicht ganz unrecht hatte.
    Diesmal brauchte sich der Gendarm nicht mit kollegialen Spitzfindigkeiten auseinanderzusetzen. Er war nur hier, um sich einen schönen Abend zu machen. Gemächlich ging er, an den großen Fässern vorbei, tiefer in den Keller hinein. Wenn der junge Höllenbauer einen Kunden erwartete, war er ganz hinten zu finden, wo es unter einem kunstvoll ausgeführten Gewölbe einen annähernd quadratischen Platz gab. Die beiden Freunde begrüßten einander.
    »Wen erwartest du denn?« fragte Polt.
    »Den Herrn Hartmann«, gab der Weinbauer Auskunft und stellte Kostgläser und eine Kerze neben einen mit Brotstücken gefüllten Korb. »Nicht gerade der Ärmste, aber soweit ganz in Ordnung. Ich glaube, er handelt in Wien mit Uhren. Einmal hat er ein besonderes Prachtexemplar am Handgelenk getragen, und ich wollte in aller Unschuld wissen, wieviel so etwas kostet. Ich hab’s erst gar nicht glauben können. Mein lieber Simon, um das Geld kannst du bei uns vier Preßhäuser samt Keller kaufen, wenn nicht fünf.«
    Polt schauderte. Irgendwie war ihm die Vorstellung vom Gegenwert vieler Preßhäuser, zur Miniatur verdichtet und mit Zifferblatt und Zeiger versehen, unheimlich. »Kann ich helfen?« fragte er, um sich abzulenken.
    »Eigentlich nicht. Die Fässer sind geputzt, und die Flaschen von gestern abend habe ich weggeräumt. Aber vielleicht holst du noch ein paar Gläser vom Preßhaus herunter. Kann sein, Herr Hartmann bringt seine Familie mit oder es kommen andere Gäste hinzu.«
    Simon Polt bescheinigte dem Höllenbauern fast schon prophetische Gaben, als ihm auf der Kellerstiege Sepp Räuschl entgegenkam, ihn statt eines Grußes vertraulich mit der Hand streifte und in verdächtiger Eile nach unten strebte. Als Polt zurückkam, standen der Höllenbauer und Sepp Räuschl einander mit gefüllten Gläsern gegenüber, und auch für den Gendarmen war schon eingeschenkt. »Einen Grünen kosten wir, soviel Zeit wird schon noch sein. Was sagt ihr zu meinem 92er?«
    Der Gendarm sagte erst einmal nichts. Wohl war auch er angesprochen worden, doch er wußte nur zu gut, daß es sich bei dieser Verkostung um eine Angelegenheit zwischen Weinbauern handelte. Sepp senkte sein knolliges, blaugeädertes Riechorgan; nach einer kleinen Weile hob er das Glas gegen das Licht, blinzelte mit einem Auge, senkte das Glas, schnupperte, hob es wieder, führte es noch einmal zur Nase und sagte dann wie im Selbstgespräch: »Daß ein Veltliner schon beim Riechen so viel Wirbel machen kann!« Endlich nahm er einen kleinen Schluck und schlürfte vernehmlich. »Hast du alle 92er so?«
    Der Höllenbauer schwieg, um sich nicht selbst loben zu müssen. »War ja auch ein guter Jahrgang«, sagte er dann fast entschuldigend.
    »Das nächste Mal kommst bei mir vorbei und wir kosten!« entgegnete Sepp Räuschl kampfeslustig. »Wie ist eigentlich dein 92er Weißburgunder?«
    Der Höllenbauer wandte sich wortlos ab, um die entsprechende Flasche zu holen.
    Hoffentlich will er jetzt nicht alles durchkosten, überlegte Polt, sonst kommt der Ernst in Verlegenheit mit seinem Weinkunden. »Ihr Nachbarpreßhaus ist verkauft worden, nicht wahr?« fragte er leichthin.
    »Ja, allerdings, an Wiener«, knurrte Sepp Räuschl empört, und sein ohnedies rotes Gesicht wurde deutlich dunkler.
    »Gibt’s Ärger?«
    »Den Pfarrer sollt man holen«, antwortete Räuschl giftig, »so eine Sündhaftigkeit, so eine unverschämte.«
    Der Höllenbauer, inzwischen mit dem gefüllten Weinheber zurückgekehrt, zwinkerte Polt zu: »Was für eine Sündhaftigkeit?«
    Sepp stieß einen zornigen Schnaufer aus und wischte sich mit dem Handrücken unwillig über die Nasenlöcher. »Sonntag war’s auch noch. Ich fahr mit dem Traktor in den Weingarten, der hinter meinem Preßhaus ist. Auf einmal seh ich da was liegen. Ich schau hin, schau noch einmal hin, und dann hab ich erst glauben können, was ich gesehen habe: eine Frau, pudelnackt auf einer Decke! Also, ich hab kehrtgemacht, bin ins Preßhaus, hab mir ein Viertel gegeben, wegen dem Schreck, und bin nach Hause gefahren. Aus war’s mit der Weingartenarbeit für diesen

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