Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Polt muss weinen

Polt muss weinen

Titel: Polt muss weinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Komarek
Vom Netzwerk:
schon dafür genieren mußte. Simon Polt hatte noch immer einen Vorwand gefunden, wenigstens eine Weile dabeizusein und vom Traubensaft zu kosten, der schäumend aus dem Preßkorb floß. Diesmal betrat er das Preßhaus in bedrückter Stimmung, und als er durch die offenstehende Kellertür viele Stufen nach unten ging, konnte ihn nicht einmal die vertraute Atmosphäre trösten.
    Im Keller stand Karl Brunner mit dem Christian Wolfinger zusammen. Schweigend schauten sie ihren Besuchern entgegen. »Das ist Landesgendarmerie-Inspektor Kratky«, erklärte Polt, und es klang irgendwie entschuldigend. Die zwei Weinbauern nannten ihre Namen, dann herrschte wieder Schweigen. Irgendwann fragte Brunner, ob die Herren etwas trinken wollten, die Herren wollten nicht, und schon wieder war es still. Polt begriff, daß sich die Dinge gründlich geändert hatten. Er betrat nicht länger als guter Bekannter einen Keller, in dem er selbstverständlich willkommen war, sondern als lästige Amtsperson, die man eben dulden mußte.
    »Es gibt also eine Rohrverbindung zum Keller dieses Herrn Hahn?« fragte Kratky endlich.
    Karl Brunner nahm einen Schluck. »Ja, die gibt es.«
    »Und seit wann wissen Sie davon?«
    Brunner dachte eine Weile nach. »Seit ein paar Jahren. Irgendwann bin ich durch Zufall draufgekommen, als der Hahn mit Besuchern in seinem Keller war.«
    »Und wer braucht so ein Loch von Keller zu Keller, ich meine, über diese Entfernung?«
    »Kein Mensch.« Für Brunner schien das Thema damit erledigt zu sein.
    Kratky warf Polt einen fragenden Blick zu. »Sagen Sie einmal, Herr Brunner«, begann dieser zögernd, »in den zwei Weltkriegen waren doch Deserteure hier in den Kellern versteckt. Vielleicht haben die das Loch gebohrt, als eine Art Telefon?«
    »Gut möglich.«
    Polt spürte ein Drücken in der Magengegend. »Und wie ist das mit dem Gärgas? Kann das nicht auch hinüber?« Karl Brunner trank sein Glas leer und stellte es auf ein kleines Faß. »Nein, das kann nicht hinüber. Mein Keller liegt viel tiefer; das Rohr steigt stark an, und Gärgas ist schwerer als Luft.«
    »Kohlenmonoxyd, ich weiß«, brummte Kratky.
    »Kohlen…was?« fragte Brunner.
    »So heißt euer Gärgas in zivilisierten Gegenden. Gehen wir?« Kratky schaute Polt mißmutig ins Gesicht, der Gendarm nickte bekümmert, warf den zwei Weinbauern einen bedauernden Blick zu und folgte dem Kriminalbeamten.
    In Albert Hahns Keller wartete eine Überraschung auf die beiden. Neben einer frisch ausgeschaufelten Grube stand eine große Kassette aus Edelstahl. »Der Schatz«, sagte Polt ehrfürchtig. Kratky stieß leicht mit der Schuhspitze gegen das Metall. »Sehr scharfsinnig, Herr Kollege.«
    »Übrigens ist das Ding unversperrt. Was zu machen war, ist erledigt. Auch den Inhalt haben wir auf Spuren hin untersucht«, sagte einer der Männer aus Wien.
    Kratky stutzte. »Unversperrt? Seltsam. Aber um so besser. Dann darf ich wohl neugierig sein.« Er bückte sich hinunter, hob den Deckel, zögerte kurz und holte einen Briefumschlag hervor. »Mit mehr kann ich nicht dienen«, sagte er und richtete sich ächzend auf. Er entfernte eine schon geöffnete Plastikhülle, die das Papier geschützt hatte, dann betrachtete er das Kuvert näher, und ein Lächeln flog über sein Steuerprüfergesicht, als er sich Simon Polt zuwandte. »Post für Sie, Herr Kollege!«
    »Für mich? Gibt’s nicht.«
    »Wenn ich’s doch sage. Ich vermute, Ihnen steht eine vergnügliche Lektüre bevor. Aber gehen wir doch nach oben, ans Licht.«
     
    Der lange Schatten des Albert Hahn
     
    »Soll ich?« Polt stand in der geöffneten Preßhaustür, draußen fiel stetig der Regen.
    »Natürlich. Sie werden uns doch an Ihrer Korrespondenz teilhaben lassen?« Erstmals an diesem Tag machte Kratky einen fast vergnügten Eindruck.
    »Na gut.« Polt nahm den Brief aus dem Kuvert und entfaltete ihn. Nachdem er eine Weile stumm gelesen hatte, bekam er einen roten Kopf und murmelte: »Typisch Hahn.« Nach einiger Zeit überreichte er das Schreiben wortlos Kratky.
    »Darf ich vorlesen?« fragte dieser heiter.
    »Wenn Sie meinen.« Polt hob kurz die Schultern und schaute interessiert in den Regen hinaus.
    »Also gut.« Kratky wirkte noch immer recht animiert. »Kein Datum.« Dann las er vor:
    Mein lieber Herr Polt, ich möchte erst einmal Ihre Verwirrung beseitigen. Verwirrte Dorfgendarmen geben nämlich kein gutes Bild ab, nicht wahr? Also, ich wollte, daß Sie oder irgendeiner Ihrer ausnehmend scharfsinnigen

Weitere Kostenlose Bücher