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Polt muss weinen

Polt muss weinen

Titel: Polt muss weinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Komarek
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Plastiksessel setzen wollte, und wartete geduldig. Unten im Keller flammten starke Batterieleuchten auf, dazwischen zuckte Blitzlicht, Geräusche waren zu hören, ein paar halblaute Worte. Nach einer guten halben Stunde erschien Kratky in der Kellertür. »Würden Sie jetzt bitte mitkommen? Wir haben Fußspuren und Schleif spuren gefunden, die mit den Angaben von den zwei Nachbarn übereinstimmen. Wie heißen die doch gleich?«
    »Kurzbacher und Brunner.« Polt kam sich vor, als würde er etwas Privates preisgeben.
    Kratky schneuzte sich in ein großes Stofftaschentuch und faltete es akkurat zusammen. »Jetzt fragt es sich natürlich, wie das Gärgas zum vermeintlichen Tatort gelangen konnte.«
    Polt schaute sich um. Der Keller von Albert Hahn war nicht groß: Eine Kellerröhre endete nach etwa zwanzig Metern mit einer Ziegelmauer, und zwei andere Offnungen rechter Hand waren nicht mehr als geräumige Nischen. In der ersten stand ein gut gefülltes Flaschenregal aus Plastik. Polt trat näher und sah eine Öffnung über dem Regal. »Das muß die Verbindung zum Kurzbacher-Keller sein. Ich habe ja schon davon erzählt.«
    »Und die Ziegelwand am Kellerende?« Kratky tastete schon wieder nach seinem Taschentuch.
    »Ich kann mich natürlich irren: Aber hier könnte der Keller von Florian Swoboda anstoßen.«
    Die Männer traten näher. »Da schau her!« sagte Kratky im leidenschaftslosen Tonfall eines Steuerprüfers, der auf eine lohnende Unstimmigkeit gestoßen war.
    »Tatsächlich!« Polt war die Aufregung anzumerken. »Da sind ein paar Ziegel locker!«
    »Herr Swoboda wird uns bestimmt etwas darüber erzählen können, nicht wahr?« Jetzt hob Kratky den Blick. »Und was sollen die Öffnungen, die da nach oben führen?«
    »Das sind Dunstlöcher, die gibt es in jedem Keller, zur Belüftung.«
    »Aber durch diese Löcher hätte man auch aus Kellern Gärgas einleiten können, die gar nicht unmittelbar an den Hahnkeller grenzen, nicht wahr?«
    Kratkys insistierende Neugier begann Polt zu ärgern. »Theoretisch schon«, wehrte er sich, »aber ich kann’s nicht recht glauben: Es liegen ja schwere Decksteine mit nur kleinen seitlichen Öffnungen drauf. Außerdem: Wenn jemand mitten im Weingarten mit einer Dunstwinde hantiert, fällt das irgendeinem in der Kellergasse auf, sogar nachts.«
    »Und wenn keiner etwas sehen wollte?«
    Ein unbehagliches Schweigen machte sich breit. Plötzlich glaubte Polt etwas zu hören: den ganz leisen Klang von Stimmen. Er schaute zur Kellertür. Doch da war niemand.
    »Ist was?« fragte der Kriminalbeamte.
    »Ja«, flüsterte Polt, »ich höre Stimmen von irgendwoher.« Langsam ging er durch den Keller, blieb stehen, als die Laute etwas deutlicher wurden, und entdeckte schließlich etwas über Kopfhöhe eine kleine Wandöffnung. »Da ist es!« sagte er. »Soll ich mich bemerkbar machen?« Kratky zuckte mit den Schultern.
    Polt hob den Kopf und rief vernehmlich: »Hallo, wer seid denn ihr da drüben?« Dann lauschte er angestrengt. Er rief noch einmal.
    Plötzlich war eine der Stimmen lauter zu hören, und ganz deutlich konnte Polt das Wort »Brunner« verstehen. »Teufel auch!« sagte er.
    »Lassen Sie den Teufel aus dem Spiel«, entgegnete Kratky melancholisch. »Wir suchen einen Mörder, wenn’s überhaupt einen gibt.«
    »Gehen wir zum Brunner hinüber?« schlug Polt widerwillig vor.
    »Natürlich.« Der Kriminalbeamte war schon zur Kellerstiege unterwegs. »Schaut euch noch um, hier herunten, auch mit dem Metalldetektor, dieser angebliche Schatz, ihr wißt ja«, sagte er über die Schulter zu seinen Mitarbeitern. »Wir sind gleich wieder da.«
    Karl Brunners Keller war an die dreißig Meter entfernt. Welchen Sinn sollte da eine Rohrverbindung haben? dachte Polt. Ist ja auch egal, der Brunner hat nie etwas mit dem Hahn zu tun gehabt, nicht das geringste.
    Karl Brunners Preßhaus war eines der größten in der Kellergasse von Brunndorf. Die alte Steinpresse war noch intakt: der mächtige Preßbalken, die geschnitzte Spindel, der Hunderte Kilo schwere Stein. Zur Zeit der Weinlese gab es hier ein Schauspiel von archaischen Dimensionen, wenn die Männer mit dem »Prügel«, der als Hebel diente, den Preßbalken auf einer Seite niederzwangen. Dann gaben Stein und Spindel den Preßbalken allmählich frei, dessen anderes Ende sich auf den mit Maische gefüllten Preßkorb senkte. In der Luft, warm vom gärenden Most, hing der Geruch der Fruchtbarkeit, so sinnlich, daß sich ein Christenmensch fast

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