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Polt muss weinen

Polt muss weinen

Titel: Polt muss weinen
Autoren: Alfred Komarek
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schlechter. Ich werde ihn von der Schule nehmen müssen.«
    »Armer Kerl.« Polt strich sich müde über die Augen.
    »Armer Kerl«, wiederholte Schachinger und machte die Tür nicht eben leise hinter sich zu. Sekunden später öffnete Kratky ebendiese Tür und fragte: »Was war denn mit dem los?«
    »Er macht uns Vorwürfe, und nicht zu Unrecht, aus seiner Sicht.« Polt stand langsam auf und schaute durchs Fenster in den Regen. Dann wandte er sich Kratky zu. »Es war eigentlich auch egal, wer mir diese Mitteilung geschickt hat. Sie gibt mehr oder weniger die Stimmung im Dorf wieder. Jeder ist froh, daß Albert Hahn tot ist, und sollte wirklich jemand nachgeholfen haben, braucht das keinen zu interessieren, uns schon gar nicht.«
    »Da gestatte ich es mir allerdings, anderer Meinung zu sein«, sagte der Kriminalbeamte.
    »Ich ja auch«, seufzte Polt, »so irgendwie wenigstens. Aber wir werden es nicht leicht haben mit den Leuten.«
    Das Telefon unterbrach den Gendarmen mit einem mißtönenden elektronischen Geräusch. »Für dich!« hörte Polt einen Kollegen sagen. »Die Mutter vom Hahn.«
    Ihre Stimme paßte genau zum Bild, das Polt noch vom Begräbnis her hatte: spröde, aber entschlossen. »Wenn es sich einrichten läßt, hätte ich Sie gerne gesprochen, Herr Inspektor. Wäre es Ihnen möglich, ins Haus meiner Schwiegertochter zu kommen? Mir geht es derzeit nicht besonders gut. Sie würden mir helfen.« Polt warf Kratky, der mitgehört hatte, einen fragenden Blick zu, und als dieser nickte, sagte er: »Gut, Frau Hahn. Wenn’s recht ist, bin ich in zwanzig Minuten bei Ihnen.«
    »Fangen wir eben gleich mit der Arbeit an.« Kratky schaute auf die Uhr. »Reden Sie bei der Gelegenheit auch mit der Witwe des teuren Verblichenen. Kollege Mank und ich werden inzwischen eine Liste aufstellen, wie wir gemeinsam mit der Arbeit zurechtkommen. Je früher ich nach Wien zurückkann, desto besser, und dort habe ich ja auch Gelegenheit, mir die Herren Swoboda und Pahlen vorzunehmen. Bis morgen, also dann.«
    »Gut, bis morgen.« Polt hob grüßend die Hand.
    Frau Hahn bewohnte ein Zimmer im Erdgeschoß, das in auffallendem Widerspruch zum übrigen Haus stand.
    Der Raum vermittelte altmodische, stilvolle Behaglichkeit.
    »Ich habe es sehr schön hier«, sagte die alte Frau, als sie das Staunen des Gendarmen bemerkte. »Mein Sohn war ein Scheusal, und daran konnte ich mein Leben lang nichts ändern, obwohl ich es bei Gott versucht habe. Aber mir gegenüber gab es wohl noch einen Rest von respektvoller Zuwendung. Er hat mir in Wien eine wirklich hübsche, ruhige Wohnung verschafft und dann eben hier, im Haus in Brunndorf, dieses Zimmer eingerichtet. Vermutlich hat er auch dabei Leute betrogen und ausgenützt. Aber ich bin jetzt 85, Herr Inspektor, und ich leiste mir den Luxus, nicht alles wissen zu wollen. Danke übrigens, daß Sie gekommen sind.« Sie wies einladend auf einen hochlehnigen, mit Leder bespannten Sessel.
    Polt nahm vorsichtig Platz. Noch bevor er etwas sagen konnte, fuhr Frau Hahn fort. »Es wird jetzt ja doch offizielle Ermittlungen geben. Ich halte es für klüger, Ihnen gleich alles zu erzählen, was Ihnen helfen könnte. Vorerst vielleicht: Ich bin sicher, daß ein Mord geschehen ist. Albert hat eine Gewalttat geradezu provoziert, und zwar immer wieder: Es schien ihn zu amüsieren.«
    »Hatte er Freunde?« Polt betrachtete sein zierliches Gegenüber mit zunehmendem Respekt.
    »Diese Frage kann ich nicht wirklich beantworten. Wenn er Freunde hatte, dann diesen Florian Swoboda und Dipl.-Ing. Pahlen. Doch ich glaube eher, daß er ihre Nähe gesucht hat, weil sie in irgendeiner Hinsicht zu seiner Unterhaltung beitrugen. Jedenfalls haben die drei gemeinsam das Gymnasium besucht. Pahlen ist später an die Hochschule gegangen, Swoboda, der gerade noch die Matura schaffte, versuchte sich erst einmal als ziemlich zwielichtiger Vermögensberater, bis ihn die Anstellung in der Anzeigenabteilung einer Tageszeitung einigermaßen gerettet hat. Na ja, und Albert wandte sich zunehmend erfolgreich dem Leben zu, wie er das so ausdrückte: Er übte sich in der abscheulichen Kunst, Schwächen und Unwissen seiner Mitmenschen zu Geld zu machen. Doch irgendwie sind die drei in Verbindung geblieben, obwohl mein Sohn den späteren Dipl.-Ing. Pahlen stets als akademisches Nichts verspottete und für Florian Swoboda blanke Verachtung empfand. Motive für einen Mord… Dipl.-Ing. Pahlen? Ich weiß nicht. Swoboda? Ich kann es mir nicht
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