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Polt.

Polt.

Titel: Polt. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Komarek
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sie respekteinflößend zu nennen.
    Die Lehrerin schaute auf die Uhr. »Keine Eile, Simon. - Und jetzt heraus mit der Sprache! Was hast du mir gestern Abend verschwiegen? Mir machst du nichts vor, mein Lieber.«
    »Das befürchte ich. Ich hab dich nicht erschrecken wollen, so spät und in deinem Zustand. Aber heute werden ja alle im Wiesbachtal davon reden. Ein Leichenfund, Karin. Ausgerechnet im Weingarten vom Norbert Sailer. Saublöde Sache, besonders für einen Polizisten.«
    »Ja, schon, und nicht nur für ihn. Bin ich froh, dass dich so etwas nichts mehr angeht. Und ich will fürs Erste eigentlich auch gar nichts davon wissen. Du, Simon, aber etwas anderes macht mir Sorgen, und das betrifft auch dich: Die Schule hat zu wenig Kinder und es wird ja an allen Ecken und Enden gespart. Stell dir vor: Schon im Herbst könnte es keinen Schulanfang mehr geben in Burgheim.«
    »Und was wird dann aus dir?«
    »Eine arbeitslose Lehrerin oder eine, die sich irgendwo anders eine Stelle suchen muss, womöglich weit weg auch noch.«
    »Alles, nur das nicht!«
    »Halt mir die Daumen, Simon! Und jetzt muss ich ins Bad, damit sich die Kinder nicht vor mir fürchten.«
    Polt hatte viel Zeit. Am Dienstag erwartete Frau Habesam gewöhnlich nur wenig Kundschaft und sie kam ganz gut allein zurecht. Kaum war Karin Walter gegangen, fühlte er sich unbehaglich in ihrem Haus, fast wie einer, der heimlich in fremden Wäscheschränken stöbert. Er zog sich fertig an, sperrte zu und fuhr nach Burgheim in seine vertraute Höhle, in der es einen nicht minder vertrauten Mitbewohner gab, seinen Kater.
    Als Polt eintrat, saß Czernohorsky in der offenen Küchentür, den Schwanz adrett um die Vorderpfoten gewickelt, fixierte Polt aus bernsteinfarbenen Augen und begann eine Serie misstönender Laute auszustoßen, kunstvoll variiert und gar nicht leise. »Ja, Kater, ich weiß, lang war ich weg und fremdgegangen bin ich auch noch.« Polt kniete nieder, um Czernohorsky zu streicheln, doch der Kater brachte es mit gleitenden Ausweichbewegungen spielend fertig, dass Polt nur Luft unter der Hand spürte. Dann war ein kehliges, kurzes Maunzen zu hören, das in Polts Ohren verächtlich klang. Der Kater stellte den Schwanz senkrecht auf, durchquerte die Küche, nahm im Vorbeigehen einen beiläufigen Bissen aus dem halbvollen Napf und verließ den Raum leichtpfötig durch das offene Fenster.
    Kaum war der Kater verschwunden, kam Besuch. Polt war nicht wenig überrascht, als er Peter Frischauf, den Bürgermeister von Burgheim, in der Tür stehen sah. »Was verschafft mir die Ehre?«
    »Ach was, Ehre!« Das Gemeindeoberhaupt nahm ohne viel zu fragen in der Küche Platz. »Heutzutage ist ein Bürgermeister hauptsächlich Notnagel, Sündenbock und Schuldenverwalter. Und zu dir, Simon, treibt mich ein Notfall. Du bist jetzt ja Kellergassenführer, nicht wahr?«
    »Geprüft und diplomiert.«
    »Wie sich’s gehört. Und stell dir vor: Einer vom bayerischen Fernsehen war bei mir. Ich Depp hab schon geglaubt, dass das mein medialer Durchbruch sein könnte. Nichts da. In der Burgheimer Kellergasse wollen sie drehen.«
    »Sehr schön! Und was ist jetzt der Notfall?«
    »Die wollen Action.«
    »Äktschn?«
    »Na, Kellergassenflair halt.«
    ,Action! Flair! Klingt so richtig wiesbachtalerisch, was?«
    »Man geht eben mit der Zeit, auch sprachlich. Also: Es muss sich was tun! Lustige Trunkenbolde, fröhliche Weinbauern, dralle Madin, Musikanten, das echte, wahre Leben, wie es eben so ist, bei uns im Wiesbachtal.«
    »Ist aber nicht so.«
    »Simon! So ein Film hat immensen Wert für uns, da ist mein Budgetdefizit nichts dagegen. Wir müssen tricksen, zaubern, Wunder wirken!«
    »Mehr nicht?«
    »Jetzt sei nicht so fad. Denk einmal anders herum: Wenn unsere Kellergasse im deutschen Fernsehen ist, wird sie auch unseren Weinbauern wieder mehr wert sein. Und daran liegt dir doch was, nicht wahr?«
    »Schon.«
    »Also, Simon: Du trommelst ein paar tatkräftige Männer zusammen, und ihr überlegt euch, meinetwegen mit mir gemeinsam, eine wirkungsvolle Inszenierung für einen Tag. Echt! Urig! Süffig! Kann ich auf dich zählen? Es eilt, nächste Woche wollen die schon kommen.«
    »Na gut, ich probier’s.«
    »Du bis halt ein echter Kellermann, Simon! Und jetzt muss ich weiter nach Breitenfeld.«
    »Kann ich mitkommen? Ich hab ja kein Auto.«
    »Warum nicht? Was zieht dich in unsere schöne Bezirkshauptstadt?«
    »Ich möchte Babysachen einkaufen.«
    »Ah! Bub oder

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