Poltergeist
eitler Narziss etwas antun – und ein falscher Poltergeist schon gar nicht. Stärkere Männer als Gartner Tuckman zittern beim Gedanken an meinen Zorn. Oder das sollten sie zumindest.« Sie zog die Autotür zu und ließ den Motor an. Mit einem leicht hysterischen Grinsen brauste sie davon.
Ich fuhr zu zwei verschiedenen Wertstoffhöfen, um die Überreste aus dem Séance-Zimmer loszuwerden. Dann machte ich mich auf den Weg nach Hause. Dort legte ich etwas Eis auf mein Knie und ließ das Frettchen aus seinem Käfig. Eine zufriedene Müdigkeit breitete sich in mir aus. Es war eine angenehme Abwechslung zu der Erschöpfung und dem Gefühl, überhaupt nichts im Griff zu haben, seitdem ich mit Celia beschäftigt gewesen war.
Offensichtlich hatte der erste Teil von Carlos’ Anweisungen funktioniert. Jetzt musste ich nur noch Ian finden, damit ihn der Vampir ablenken konnte, während ich den Rest des Poltergeists zerstörte.
Einige Stunden später hatte ich es mir auf einem der Sofas im Wohnzimmer der Danzigers bequem gemacht. Ben lag auf dem Boden vor dem Kamin, die Beine in der Luft. Brian ›flog‹, indem er auf den Fußsohlen seines Vaters lag und dabei lustige Zischgeräusche von sich gab.
Mara kam mit der Destillierblase in der Hand ins Zimmer. »Entschuldige, wir mussten sie woanders unterbringen. Sowohl Brian als auch Albert waren zu fasziniert davon und haben immer wieder versucht, irgendwie dranzukommen. Ich habe keine Ahnung, was sie damit anfangen würden, aber ich hielt es für das Beste, sie an einem sicheren Ort aufzubewahren. Sie war die ganze Zeit über in dem alten Becken hinten auf der Veranda, wo ich sie außerdem mit einem starken Zauber fixiert habe. Irgendjemand hat nämlich versucht, den Stöpsel herauszuziehen.« Sie warf Albert einen wütenden Blick zu, als dieser vorbeischwebte. »Deshalb der Zauber. Ich bin froh, wenn wir das Ding bald wieder los sind. Es war ziemlich anstrengend, die beiden davon fernzuhalten.«
»Wenn alles gut geht, werdet ihr es nie mehr wiedersehen müssen«, meinte ich und stellte das Glasbehältnis auf den Tisch neben mir. Der unheimliche Inhalt schien bereits kleiner geworden zu sein und waberte mit weniger Vehemenz als am Tag zuvor herum.
Da sich der Stöpsel in der Öffnung befand, konnte ich die Verbindungsfäden weder erkennen noch zählen. Ich war mir aber sicher, dass es weniger waren als zuvor. Ich hatte gesehen, wie Patricias Faden zerfallen war, und das Fehlen der Stahlqvists bei der Beerdigung ließ mich vermuten, dass auch sie ihre Verbindung zum Poltergeist gelöst hatten. Insgeheim hatte ich gehofft, dass das Wesen durch die Zerstörung des Séance-Raums seine ganze Energie verlieren würde, aber dem war nicht so. Es war ihm schon immer möglich gewesen, auch dann zu agieren, wenn nur vier Teilnehmer anwesend waren. Außerdem hatte es in den letzten Tagen angegriffen, ohne dass sich die Gruppe versammelt hatte. Das zeigte mir, dass es inzwischen mehr oder weniger selbstständig handeln konnte. Obwohl die Energieleitung im Grau nun wieder an ihren ursprünglichen Ort zurückkehrte, war es dem Wesen weiterhin möglich, eine Verbindung mit dem Netzwerk und Ian zu halten.
»Was willst du damit machen?«, fragte Ben.
»Vermutlich hast du mit Carlos einen Plan ausgearbeitet – oder?«, meinte Mara.
»Richtig«, entgegnete ich. »Ich habe schon damit angefangen. Mit Tuckmans Assistentin war ich heute an der Uni und habe den Séance-Raum aufgelöst. Seinen Inhalt haben wir überall in der Stadt verteilt. Als ich Celias Portrait verbrannte, sahen wir sogar ein Gesicht in den Flammen.«
»Das war bestimmt das künstliche Wesen – sozusagen die Seele, die der Künstler in das Bild gesteckt hat. Einerseits
ist das ein gutes Zeichen. Andererseits ist es schlecht, da es jetzt keine eigene Persönlichkeit mehr besitzt, sondern nur noch die, die ihm sein Meister verleiht.«
»Der Poltergeist ist jetzt also nur noch so klug und verrückt wie sein Meister, und offenbar ist der Typ nicht dumm«, sagte ich. »Ich hoffe, dass er auch arrogant ist. Jedenfalls kam er mir so vor. Er wird Fehler machen, wenn er glaubt, besonders schlau zu sein.«
»Dann ist es also sicher einer der jungen Männer?«, fragte Ben.
»Ja. Solis meinte, dass sich die Sache um eine Frau drehte, und für einen Moment glaubte ich, dass auch eine Frau die Fäden in der Hand hielte. Aber es war einer der jungen Männer, der mich mit dem Poltergeist angegriffen hat.«
»Was willst du
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