Poltergeist
hinter ihnen herein.
Albert umkreiste Brian, der seinen Kopf senkte und sich zum Angriff rüstete.
Der Geist schwebte in den kleinen Tisch neben meinem Ellenbogen.
Brian hingegen rammte mit dem Kopf gegen die polierte Eiche.
Der Tisch geriet ins Schwanken.
Ich streckte den Arm aus, um …
die Flasche festzuhalten …
die...
auf den Boden …
fiel...
und...
zerbrach.
Ein Sturm aus Spiegelglas wirbelte mit einem lauten Brüllen durch die Luft. Das ganze Haus erzitterte. Heiße gelbe und blutrote Fäden sammelten sich, und das Wesen zischte zur Tür.
Brian ließ sich mit einem entsetzten Schrei auf den Boden fallen.
Mara eilte ins Zimmer. In der Hand hielt sie einen kleinen Kranz. Sie blieb wie erstarrt in der Tür stehen. Mit weit aufgerissenen Augen betrachtete sie zuerst die Scherben der Destillierblase, zwischen denen ihr Sohn nun saß, und dann die tosende Gestalt, die an ihr vorbeitobte.
Ich sprang auf und begann hinter dem Poltergeist herzurennen. Mein Knie pochte wütend. Ich schaffte es gerade noch auf die Straße hinaus, ehe ich die Kreatur aus den Augen verlor.
»Verdammt!«, fluchte ich.
Der dünne gelbe Energiefaden, der mich mit Celia verband, spannte sich und zeigte nach Südwesten. Nach Chinatown.
Ich stürzte ins Haus zurück und packte dort Tasche und Jacke.
»Ich muss hinterher!«
Mara drückte mir den kleinen Kranz aus Brombeerranken und Blättern in die Hand. »Sie ist nicht so gut geworden, wie ich das wollte. Diese Fessel wird bestimmt nur eine halbe Stunde reichen. Aber es wird gehen. Pass auf mit den Dornen.«
Doch die letzte Warnung kam zu spät. Ich hatte mich bereits gestochen. Hastig schob ich den Kranz in meine Jackentasche und rannte dem Geist, der in Wahrheit gar kein echter Geist war, hinterher. Nach Chinatown.
ZWEIUNDDREISSIG
I ch hatte den Rover auf der Jackson Street geparkt und ging zu Fuß in das Herz von Chinatown. Der dünne gelbe Faden vor mir wies meist nach Süden und leicht nach Osten. Ich kam die Maynard Avenue hinunter, vorbei an dem rot-gelben Eingang zum Wing Luke Asian Museum und dem Hing Hay Park an der Ecke der King Street.
In der kurzen King Street, die vom Bahnhof an der Fourth Avenue bis zur Freeway-Überführung über die Ninth Avenue führte, hatten sich die Chinesen nach dem großen Feuer von Seattle und dem Ende des sogenannten »Chinese Exclusion Act« niedergelassen. Alle Gebäude dort und östlich dieser Straße waren zwischen 1890 und 1930 von chinesischen Geschäftsleuten errichtet worden.
Ich blieb einen Moment stehen, um mich zu orientieren, und beobachtete eine Gruppe von Kindern mit Halloween-Masken, die auf den feuchten Wegen des Parks spielten. Sie versteckten sich in dem roten chinesischen Pavillon, wo gerade ein paar alte Männer Dame spielten. Ich hörte, wie die Kinder lachten und miteinander redeten, während sie davonsprangen, als die Männer sie ungeduldig fortscheuchten. Teenager und junge Männer, die viel zu schnell erwachsen geworden waren, hatten sich in Gruppen um die Parkbänke und die Steintische am Rande des Parks versammelt
und plauderten in mindestens sechs verschiedenen Sprachen miteinander.
Die Läden und Restaurants, die meist ziemlich heruntergekommen, aber stolz wirkten, waren voll von Leuten, die am Sonntag zu einem Dim-Sum-Essen nach Chinatown kamen. Die Besucher aus den anderen Vierteln der Stadt sahen sich interessiert China Gate, Four Seas und Sun Ya an. Sie quetschten sich für japanische Videospiele in den Pink Godzilla und trugen bemalte Kuchenschachteln oder Taschen voll chinesischem Essen und Mangas vom Uwajimaya und der Kinokuniya -Buchhandlung. Der Geruch nach Essen, Glückskeksen, Müll und nassem Asphalt vermischte sich mit der Geräuschkulisse sonntäglichen Geplauders und den Musikfetzen, die aus den offenen Ladentüren drangen.
Ich sah verstohlen an mir herunter, um festzustellen, ob mich der Faden im Grau noch immer führte.
Ana und ihre Eltern wohnten in einem Gebäude südwestlich von hier, doch der dünne Faden wies nach Südosten. Ich ging also die King Street Richtung Osten entlang und blieb an der nächsten Ecke stehen.
Nun zeigte der Energiefaden wieder zurück in Richtung Maynard Avenue. Ich sah die Straße hinauf und hinunter. Da entdeckte ich eine schmale Gasse hinter einem Wohngebäude. Ein Schild am Beginn dieser Gasse südlich der King Street wies auf eine Tierhandlung hin.
Ich überquerte die Straße und blieb abrupt stehen, als ein blauweißer Polizeiwagen um die
Weitere Kostenlose Bücher