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Poltergeist

Titel: Poltergeist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kat Richardson
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Kopie.«
    »Keine Sorge. Ich werde mir die Namen aufschreiben.« Also legte ich die Liste auf den Tisch und schnappte mir seinen Ordner, während er begann, die Namen und Adressen niederzuschreiben. Solis blickte nicht einmal auf. »Ich weiß nicht, warum Sie das sehen wollen«, sagte er. »Eine vorläufige Autopsie hat doch wirklich nichts mit Ihrem Fall zu tun.«
    »Sie wissen schon – berufliche Neugier.«
    »Ja, kenne ich zur Genüge.«
    Ich blätterte den Bericht durch, fand aber wenig, was ich nicht bereits von Solis erfahren oder selbst gesehen hatte. Offenbar hatte man getestet, ob Mark durch ein plötzliches Zusammenschnappen des Klappbetts so weit geschleudert worden war. Aber der Fallwinkel stimmte nicht. Die Gerichtsmediziner hatten zudem die längliche, rechteckige Prellung auf seiner Brust genau untersucht und auch noch eine kleinere auf der linken Schulter gefunden, die etwa ebenso alt sein musste.
    Außerdem gab es ältere Verletzungen auf seinen Unterarmen. Auf einem beigelegten Foto konnte ich sehen, dass es sich um leichte Vertiefungen handelte, die wie ein Armband etwa zehn Zentimeter über seinen Handgelenken hinterlassen worden waren. Wunden, die darauf hinwiesen, dass er sich verteidigt hatte, gab es keine, und auch unter seinen Fingernägeln hatte man außer dem normalen Schmutz nichts gefunden. DNS-Spuren auf dem Bettzeug wiesen darauf
hin, dass kurz zuvor noch eine Frau dort gelegen und offensichtlich mit Mark geschlafen hatte, was aber nicht weiter von Interesse war. Auf der langen Liste von Gegenständen, die man in seinem Appartement gefunden hatte, befanden sich unter anderem ein abgeschlossenes Fahrrad sowie zahlreiche Dinge aus seinem Badezimmerschrank und den Kommodenschubladen. Ich überflog sie nur, da es mir für meinen Fall nicht weiter wichtig erschien.
    Als Solis mir die Liste mit den Teilnehmern zurückgab, reichte ich ihm den Bericht der Gerichtsmedizin.
    »Ich hätte da noch etwas anderes für Sie, Solis – ganz umsonst.«
    »Sie sind heute aber besonders großzügig. Ich frage mich nur, welchen Gefallen ich Ihnen später dafür erweisen soll.«
    Ich lächelte. »Das wird sich noch zeigen. Sie sollten jedenfalls wissen, dass Mark bei diesem Projekt dafür zuständig war, den Séance-Teilnehmern einen Poltergeist vorzugaukeln. Die anderen wussten zwar nicht, dass er bestimmte Geräusche verursachte, aber seine Kollegen vom Institut waren natürlich darüber im Bilde.«
    Er betrachtete mich nachdenklich, und der orangefarbene Schimmer um ihn herum wurde schwächer. »Das ist ja interessant.«
    »Ja, finde ich auch.« Ich trank meinen Kaffee aus und stand auf. »Nachdem Sie jetzt bekommen haben, was Sie wollten, hätte ich doch noch eine Bitte.«
    Er blickte schweigend zu mir hoch und wartete.
    »Ich wurde schon einmal dafür verflucht, dass ich Marks Tod verheimlicht habe. Ich würde lieber aus anderen Gründen beschimpft als deshalb, weil ich für Sie Geheimnisse hüte. Kann ich diesmal sagen, dass Mark tot ist?«

    Er gab sich ohne Widerrede sofort geschlagen. »Also gut – einverstanden.«
    »Danke. Ich sollte jetzt zurück an die Arbeit. Wir werden uns sicher bald wiedersehen.«
    »Denke ich auch.«
    Solis blieb am Tisch sitzen und betrachtete nachdenklich den geschlossenen Ordner, während ich das Café verließ.
    Auf dem Weg zurück in mein Büro musste ich mich durch ein wahres Meer von Geistern kämpfen. Pioneer Square bereitete sich bereits auf Halloween vor, das in zwei Wochen stattfinden sollte, und die Gespenster schienen das zu wissen. Ich war inzwischen so vertraut mit dem Grau, dass ich sogar einige von den Gestalten wiedererkannte, ohne genau zu wissen, wer sie waren.
    Ich wollte es auch gar nicht wissen. Die meisten von ihnen hingen in einem ewigen Kreislauf der Erinnerung fest und durchliefen immer wieder von neuem ein bestimmtes Ereignis. Andere waren autonomer und sich ihrer Existenz bewusst. Sobald ich mich neugierig zeigte und etwas über sie in Erfahrung bringen wollte, lief das meist schief, sodass ich inzwischen aufgegeben hatte. Falls die Wesen im Grau irgendetwas von mir wollten, würden sie es mich wissen lassen. Bis dahin zog ich es vor, ihnen aus dem Weg zu gehen – wie geschwätzigen Nachbarn oder neugierigen Verwandten.
    Ich sperrte mein winziges Büro auf, und mein erster Blick fiel auf das blinkende Licht meines Anrufbeantworters. Lauter Nachrichten, die mir der Pager-Service durchgestellt hatte. Ich musste mich wirklich dringend darum

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