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Poltergeist

Titel: Poltergeist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kat Richardson
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einzige ungebogene Fenster des Gebäudes direkt auf Puget Sound schauen. Die getönten Scheiben erstreckten sich über die ganze Länge und Höhe der Vorderfront und sogar um die äußeren Ecken herum, bis es offenbar notwendig wurde, ein weniger durchsichtiges Segment als Träger einzubauen.
    Unten am Fuß der Hügel, auf denen Seattle lag, konnte man das Meer sehen, das im Licht der untergehenden Sonne rosa und orange funkelte. Im Westen erhoben sich die schneebedeckten Gipfel der Olympic Mountains, die fast bis in die Wolken reichten. Trotz der getönten Scheiben hatte ich das Gefühl, nur einen Schritt davon entfernt zu sein, schwerelos und frei über der Stadt zu schweben. Falls man allerdings unter Höhenangst litt, war dieser Club bestimmt nicht die richtige Wahl.
    Es war gerade sechzehn Uhr. In der Lounge herrschte beinahe Hochbetrieb. Deshalb gab es an der Bar auch keinen freien Platz mehr. Der unglaubliche Blick hätte mich sowieso viel zu sehr abgelenkt. Wir setzten uns also an einen kleinen Tisch, von dem aus man die Aussicht allerdings auch bewundern konnte, wenn man den Kopf ein wenig zur Seite drehte.
    Ich wählte den Platz mit der schlechteren Sicht. Stahlqvist, der ganz den Gentleman markierte, konnte nicht einmal protestieren, da die untergehende Sonne nun ihm und nicht mir in die Augen schien. Obwohl ich als Grauwandlerin wesentlich mehr sah als Stahlqvist – ganz gleich, wie die Lichtverhältnisse sein mochten -, schätzte ich es doch, in diesem Fall im Vorteil zu sein.
    Er wollte mir einen Cocktail bestellen, der mich vermutlich beeindrucken sollte, aber ich bestand auf ein Glas Mineralwasser
mit einer Limettenscheibe. »Ich bin beruflich hier.«
    »Oh, verstehe. Aber ich nicht, und deshalb möchte ich einen Balvenie Fifteen auf Eis.«
    Der Kellner nickte lächelnd und verschwand. Stahlqvist sah mich aufmerksam an. »Was kann ich also für Sie tun, Harper?«
    »Ich bin damit beauftragt worden, einige Daten für Professor Tuckmans Projekt zu ergänzen und wollte Ihnen dazu ein paar Fragen stellen.«
    »In welchem Auftrag arbeiten Sie?«
    Innerlich musste ich lächeln. »Das kann ich Ihnen leider nicht sagen. Ist das ein Problem?«
    »Nein, eigentlich nicht. Schließlich habe ich nichts zu verbergen.«
    »Entschuldigen Sie, wenn ich etwas direkt bin. Aber dieses Projekt scheint mir so gar nicht zu Ihnen zu passen, Dale.«
    In diesem Moment kam der Kellner mit unserer Bestellung. Ich beobachtete, wie Stahlqvist für einen Moment die Stirn runzelte. Offensichtlich gefiel es ihm nicht, dass ich ihn mit seinem Vornamen ansprach.
    Er nahm einen Schluck Scotch, ehe er antwortete. »Das ist es auch nicht. Meine Frau hat mich dazu verdonnert. Sie ist eine alte Freundin von Tuck, noch aus Studienzeiten.«
    Stahlqvist schien diese Freundschaft nicht zu behagen. Er plauderte eine Weile über seine Erfahrungen als Student und seinen Aufstieg in die bessere Gesellschaft von Seattle, wobei er keine Gelegenheit ausließ, eindrucksvolle Zahlen und bekannte Namen zu nennen. Sein Interesse galt offenbar einzig und allein dem Anhäufen von Geld. Mir war schon bald klar, dass er nicht genug Ahnung hatte, um Poltergeist-Erscheinungen
vorzutäuschen, und dass ihn so etwas auch nicht im Geringsten interessiert hätte.
    Eine Weile nickte ich zustimmend, ehe ich ihn wieder zum Thema zurückführte. »Sie sind also von Anfang an mit dabei gewesen. Welchen Eindruck haben Sie von den Fortschritten, die erzielt wurden? Und was halten Sie von Tuckmans Ansicht, dass der menschliche Geist all diese Erscheinungen erzeugt?«
    »Zuerst war ich zugegebenermaßen ziemlich skeptisch. Für diesen mystischen Kram habe ich überhaupt kein Verständnis. Tuckman hat völlig recht. Der ganze Hokuspokus ist reine Zeitverschwendung. Es sind die Menschen, die unsere Welt zu dem machen, was sie ist. Es sind Menschen, die wirklich die Macht haben, etwas zu bewegen – Berge zu versetzen! Das kann ziemlich befriedigend sein, kann ich Ihnen sagen.«
    Das konnte ich mir gut vorstellen. Als ich ihn durch das Grau betrachtete, schien Stahlqvist vor Aufregung zu glühen. Es machte ihm Spaß, seine Macht und seine Position zu unterstreichen. Als er damit prahlte, was die Gruppe seiner Meinung nach bewirken konnte, bemerkte ich einen dünnen, gelben Energiefaden um seinen Kopf. Er verlief Richtung Norden und verschwand im Sonnenlicht, sodass ich ihn nicht mehr sehen konnte, ohne tiefer in das Grau vorzudringen.
    Das wollte ich an diesem Ort bestimmt

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