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PolyPlay

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Titel: PolyPlay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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Eiskunstlaufkaders der DDR. Warum man sie so lange von diesem Posten fern gehalten hatte, verriet die Aktuelle Kamera nicht, stattdessen zeigte sie einen gediegenen Abriss der sportlichen Karriere von Frau Witt. Kramer sah ein wenig genauer hin. Insgeheim war er ein Fan.
    Anette kam zurück und setzte sich mit ihren Gurken und Broten auf die Couch. Kramer sah an ihren langsamen Bewegungen, wie müde sie wirklich war. Arbeiten wollte sie noch? Manchmal war ihm seine Frau ein wenig zu ehrgeizig. Hatte er neulich was im Fernsehen drüber gesehen. Arbeitssucht. Die Symptome, über die man dort gesprochen hatte, kamen ihm seltsam vertraut vor.
    »Du arbeitest zu viel«, sagte er über der Vorspannmusik des Spielfilms.
    »Und was soll ich machen?«, gab sie zurück und zerteilte eine Gurke. »Speidel erwartet den Bericht bis übermorgen. Das kann ich nur schaffen, wenn ich heute Abend noch zwei, drei Stunden dranhänge.«
    Ja, dranhängen. Das war überhaupt das Thema. Seit Kadern wie seiner Frau von allen größeren Betrieben der Internetz-Anschluss nach Hause gelegt worden war, hieß es dranhängen. Unbezahlt natürlich. Dafür gab es jedes Jahr mehr Orden. Anette hatte mittlerweile eine ganze Pappschachtel davon.
    Sie aß schweigend. Das dunkelgrüne Buch über die Finanzdelikte lag kaum zwanzig Zentimeter von ihr entfernt, aber sie sah nicht einmal nach dem Titel, und das war sehr ungewöhnlich für sie. Kramer tat so, als würde er sich wirklich für den Film interessieren (irgendeine alte DEFA-Klamotte mit Manfred Krug). Bevor sie das Wohnzimmer verließ, küsste Anette ihn noch einmal auf die Stirn.
    »Tut mir Leid«, sagte sie.
    »Schon gut«, antwortete er.
    Etwa eine halbe Stunde später wurde ihm klar, dass er den Film nicht durchstehen würde. Er schaltete um, mitten hinein in eine Folge der Dokumentationsreihe Erlebte Geschichte. »Landsberg am Lech« hieß die Sendung und handelte von dem legendären Vorstoß der NVA-Elite-Truppen auf BRD-Gebiet in der Nacht des Mauerfalls. Ein gewisser Major Kesselring (Was für ein Name!, dachte Kramer) erzählte in süffisantem Plauderton, wie Fallschirmjäger und Pioniereinheiten der MOT-Schützen in jener Nacht alle wesentlichen Bundeswehrstandorte besetzt hatten, um »Abenteurern der noch herrschenden westlichen Militärregierung von vorneherein klarzumachen, dass ihre Zeit abgelaufen war« (so der Major).
    Kesselring kam auch auf eine Angelegenheit zu sprechen, die in der DDR mittlerweile als offenes Geheimnis galt: die so genannten »Landsberger Vorfälle«. Die dortige Saarburg-Kaserne hatte als Einzige Widerstand gegen die Besetzung durch die NVA geleistet (und wurde daher von reaktionären Wessi-Quatschköpfen in hohen Ehren gehalten), und diese Folge der Erlebten Geschichte diente offenbar dem Zweck, die derzeit gültige Version der Wahrheit unters Volk zu bringen. Demnach hatte die Garnison beschlossen, eine etwaige Übernahme durch die NVA nicht kampflos hinzunehmen, angestachelt von Falken im westlichen Generalstab, die sich bei den ersten Anzeichen der Krise dorthin abgesetzt hatten. Als die Mauer fiel, hatten sich die Putschisten für unabhängig erklärt, indem sie die Reichskriegsflagge hissten, und erst nach zwei Dutzend Toten auf beiden Seiten aufgegeben. Laut Major Kesselring war die Brechung des Widerstands in Landsberg eine entscheidende Voraussetzung für die Neuordnung der gesellschaftlichen Verhältnisse in Westdeutschland und damit für die Wiedervereinigung gewesen.
    Er erklärte: »In den Tagen und Wochen darauf rückten Bereitschaftspolizei und Betriebskampfgruppen nach, um öffentliche Verwaltungen, Polizeireviere und -präsidien zu übernehmen, die spontanen Arbeiterräte in den laufenden Fabriken in eine funktionierende politische Struktur zu überführen und die seit der Krise von 1987 stillgelegten Anlagen zu sichern. Alle Vertreter des Militärregimes und seiner bürgerlich-demokratischen Vorgänger wurden verhaftet, sofern sie nicht geflohen waren. Als größten Erfolg feierte man in dieser Hinsicht die Festsetzung Helmut Kohls, eines Teils seines ehemaligen Kabinetts und hochrangiger Funktionäre von MAD, BND, BfV. Dazu mehr in der nächsten Ausgabe von Erlebte Geschichte, mit dem Titel Wieder vereint.«
    Er schaltete ab und saß eine Weile unschlüssig da. Eigentlich interessierte ihn Geschichte brennend, und normalerweise hätte er es zumindest bemerkenswert gefunden, dass die Regierung jetzt bereit war, die Sache mit Landsberg zur

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