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PolyPlay

PolyPlay

Titel: PolyPlay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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er ein schlauer Bursche. Den anderen Rechner, den du da bei ihm gesehen hast, würde ich mir wirklich gerne mal ansehen.«
    »Sag ich doch. Ist aber weg. Und finden dürfen wir ihn auch nicht mehr, weil das ist po-li-tisch, weißt?
    »Ich weiß«, sagte Merz obenhin und hämmerte weiterhin auf Tastatur und Maus ein.
    Der Bildschirm erlosch, und Merz schob seinen Stuhl zurück.
    »So. Ich lass dir das Ding hier, die Festplatte hab ich kopiert. Du kannst eine Weile damit machen, was du willst. Bis auf Widerruf, versteht sich.« Er stand auf.
    »Versteht sich. Aber was soll ich damit eigentlich?«
    »Ermitteln«, sagte Merz im Türrahmen. »Einfach nur ermitteln.«
     
    Kramer trug seine Ermittlungen auf die Straße. Er ging spazieren. Bitterkalt für Anfang April. Am Morgen war sogar Schnee gefallen. Er und Anette hatten sich lange umarmt, bevor sie zur Tür hinaus war. Sie wussten beide: Das war die Versöhnung für den missglückten Abend vorher. Sie hatte ihm dann versprochen, an diesem Abend früher daheim zu sein. Wer's glaubt, dachte er jetzt schlecht gelaunt und grub sich tiefer in seine Jacke. Er wollte zur Spree, oder zum Osthafen. An der Oberbaumbrücke entschied er sich und bog nach links ab. Der Spreespeicher stand stumm und groß da, aber unmittelbar am Wasser gab es einige Bewegung: Zwei große Schleppkähne wurden entladen, und Kramer sah eine Weile teilnahmslos zu, wie andere arbeiteten. Der fehlrenovierte Doppelturm der Oberbaumbrücke überwachte die Szenerie.
    »Der werte Herr wünschen?«
    Kramer drehte sich um und stand einem hünenhaften Wasserschutzpolizisten gegenüber, der ihn auf die sardonische Art angrinste, wie Bullen das manchmal tun, wenn sie gleich jemanden hoppnehmen. Kramer seufzte und hielt dem Kollegen seinen Ausweis hin. Der Mann sagte: »Na denn«, salutierte ironisch und machte sich dünne. Kramer tat der Form halber noch ein bisschen so als genieße er die Aussicht und kehrte dann zur Inspektion zurück.
     
    Im Büro hatte er seinen toten Punkt. Es war ein hartnäckiger toter Punkt, der sich auch nicht mit Kaffee und der eingepackten Stulle überwinden lassen würde, das wusste er gleich. Was kein Grund war, Kaffee und Stulle auszuschlagen. Kramer mampfte, trank und fühlte sich nicht polizeilich. Er fühlte sich eher wie eine Kuh auf dem Felde, die grast, wiederkäut und ansonsten nichts braucht, um glücklich zu sein. Er wischte sich die Finger an einem Papiertaschentuch ab und dachte: Das ist nicht gut. Ich kann hier nicht einfach sitzen und nichts tun, ich kann nicht den ganzen Tag spazieren gehen. Aber ihm fehlte eine Idee.
    Wenn man ihn in diesem Moment gefragt hätte, was er eigentlich über den Abusch-Fall dachte, am dritten Tag nach Michael Abuschs Tod, hätte er nur mit den Schultern zucken können. »Computer. Irgendwas mit Computern«, wäre die genaueste Auskunft gewesen, die ihm eingefallen wäre. Genau genommen also gar keine. Er hatte, wie Dr. Schwernik sich ausgedrückt hatte, kein Vorurteil. Was wusste er schon über Computer? Er benutzte sie jeden Tag, von Zeit zu Zeit faszinierten sie ihn sogar. Er fand den technologischen Fortschritt schwindelerregend, wenn er an seine ersten Kontakte mit Computern zurückdachte, aber er hatte in Wirklichkeit nicht die leiseste Ahnung, wie sie funktionierten. Er hatte also auch keine Ahnung davon, wie man heutzutage mit Computern krumme Dinger drehte. Über die Zeit der Lochkarten war er orientiert, dafür hatte er ja das schlaue grüne Buch über die Finanzdelikte, ha ha. Aber wie lief so was in den Zeiten des Internetzes? Oder mithilfe der Zaubermaschine bei Abuschs? Er hatte keine Ahnung.
    Warum wurde dieser Fall eigentlich nicht von Leuten übernommen, die wirklich etwas von Computern verstanden? Nun, auf diese Frage immerhin gab es eine Antwort: Erstens war ein Mord vorgefallen, und das war sein Bier. Zweitens kannte er nicht eine Sondereinheit der Deutschen Volkspolizei, die sich speziell um Computerkriminalität kümmerte. Im Licht der wenigen Fakten, die Kramer bisher über Michael Abusch hatte in Erfahrung bringen können, war das doch sehr erstaunlich. Der Junge war so etwas wie ein Hacker gewesen, und auch wenn in der DDR-Öffentlichkeit wenig über Hacker berichtet wurde, so war er doch sicherlich nicht der Einzige. Aber Kramer hätte ad hoc keine Arbeitsgruppe, keine Spezialtruppe nennen können, die sich des Phänomens annahm. Alles, was es gab, waren Leute wie Uwe Merz: Computerenthusiasten, die hie und da

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