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PolyPlay

PolyPlay

Titel: PolyPlay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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untergegangen. Er und seine Leute hatten herausfinden können, dass der oder die Täter aus der Armee stammen mussten, alle Indizien wiesen in diese Richtung. Aber jedes Mal, wenn die Ermittlungen ungemütlich in Richtung NVA zeigten, wenn sich ein Verdacht gegen eine bestimmte informelle Gruppierung, peinlicherweise aus dem Wachregiment zum »Mahnmal für die Opfer des Faschismus«, konkretisieren wollte, rannte Kramer gegen eine Mauer des Schweigens. Als er hatte durchsetzen können, dass der Schillerpark nahezu flächendeckend und rund um die Uhr überwacht wurde, um einen Täter auf frischer Tat zu erwischen, hatte die Mordserie schlagartig aufgehört. Kramer war noch immer davon überzeugt, dass Wachregimentler dafür verantwortlich waren. Die Schillerpark-Fälle waren für ihn und Pasulke ein ungelöstes Trauma.
    »Aber warum«, sinnierte er, »sollte mich die Stasi selber mit der Nase drauf stoßen, wenn sie oder andere Organe etwas damit zu tun hätte?«
    »Na ja«, gab Pasulke zurück. »Wer weiß? Sie verhören Michael Abusch mal kurz. Er verreckt ihnen dabei, schwaches Herz oder so. Sie schleppen ihn in den Club und ballern ihm die Birne flach. Dann präsentieren sie dir eine Serie von Mordfällen aus dem hochgradig kriminellen Softwareschieber-Milieu, legen ein paar pfiffige Spuren zu einem Gimpel, der sich nicht wehren kann, wir sacken ihn demnächst ein, sie sind glücklich, und du krisst 'n Orden.«
    Kramer schluckte trocken. »Angst machen kannst du einem. Hört sich an wie vor fünfzig Jahren, deine Idee.«
    »Na ja«, sagte Pasulke unbestimmt und nippte mit gesenkten Augen an seinem Kaffee.
    Kramer kratzte sich am Kopf. »Wo sind eigentlich Natschinsky und Schumacher?«
    »Mitschüler befragen und so einen Quatsch. Das Übliche eben. Wollen auch noch mal an die Mutter ran, morgen oder übermorgen.«
    »Schön. Ich geh jetzt nach Hause.«
    »Ja«, antwortete Pasulke. »Passt besser als gestern. Ach, übrigens – ich hab noch mal mit dem Hausmeister gesprochen. Die Konsole, mit der Michael Abusch in diesem Jugendclub ständig beschäftigt war, war die alte Polyplay-Kiste. Find ich witzig, weil ich damit früher selbst oft zugange war.«
    »Polyplay? Kenn ich nich.«
    »Bist eben kein Zocker. Bis zur Wende war das Kult. Wusste gar nicht, dass es die Dinger heute noch gibt. Michael muss der Meister aller Klassen gewesen sein, was Polyplay anging.«
    »Na dann«, sagte Kramer. Er fühlte sich müde. »Noch was?«
    »Diese Sache mit dem Todesgarten kann ich fast nicht glauben.«
    »Dann tu's doch einfach nicht. Ist vielleicht besser so.«
     
    Kramer fuhr nach Hause. Sein fünf Jahre alter VEB-BMW schnurrte an diesem kühlen Frühlingsabend wie ein Kätzchen, aber er war zu müde, um sich darüber zu freuen. Er dachte über den Todesgarten nach. Er dachte so intensiv darüber nach, dass er in seinem Kopf Formulierungen für sein Testament auszuprobieren begann, damit er nicht noch als »Freiwilliger« in der Hannoverschen Straße endete. Krematorium, dachte er. Die einzige Lösung. Ganz in Gedanken hätte er beinahe einem anderen Autofahrer die Vorfahrt genommen; das wilde Hupen rüttelte ihn aus seinen Todesmeditationen auf.
    Anette war nicht da, und Kramer ärgerte sich. Er hätte ein Gespräch mit seiner Frau gut gebrauchen können. Andererseits – wozu? Er konnte nicht offen mit ihr über seine Sorgen reden, denn der ganze Fall war ihm selbst völlig unklar und außerdem umwittert von Staatsgeheimnis. Würde er es doch tun, würde auch sie an die Schillerparkfälle zurückdenken müssen; und wie die Kramer und schließlich auch ihre noch relativ junge Ehe belastet hatten. Nicht nur sein Abend wäre dann gelaufen, sondern ihrer auch. Hatte er das Recht, ihr auf die Nerven zu gehen, weil die Welt ihm auf die Nerven ging, und wollte er nicht etwas ganz anderes von ihr als eine gerunzelte Stirn?
    Er angelte sich Brot, Butter und Aufstrich aus dem unaufgeräumten Kühlschrank, setzte sich ins Wohnzimmer und überlegte, was er jetzt mit dem Rest des Tages und seiner Laune anfangen sollte. Er nahm das Buch zur Hand, das er in der Bücherei des Präsidiums ausgeliehen hatte, und blätterte darin herum. Sehr schnell stellte er fest, dass es ihm nichts nutzen würde, weil es bestenfalls noch antiquarischen Wert hatte. Hier wurde noch mit Lochstreifen hantiert, dass es eine wahre Wonne war. Die Schwarte sah aus, als sei sie fünfzig Jahre alt. Das schlechte Papier deprimierte ihn. So hatte man damals in der

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