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PolyPlay

PolyPlay

Titel: PolyPlay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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an dem alten Rechner von Michael Abusch. Mittlerweile konnte er den Ton abstellen, so dass Pasulke ihn nicht immer belustigt ansah, wenn er auf die Toilette ging. Er glaubte zuerst, sich verhört zu haben. Aber nein, vom Bildschirm seiner R-610 grinste ihn das Jungengesicht von Uwe Merz an. Wie er leibte und lebte. Auch wenn er nicht sehr gesund aussah und das Grinsen eher wie das eines magenkranken Geiers wirkte.
    »Bitte erschrick nicht. Das ist alles aufgezeichnet. Ich bin schon tot. Ich bin verrückt.«
    Kramer rollte auf seinem Stuhl näher an den Bildschirm heran. Er sah sich einmal um, ob er auch wirklich allein war. Lobedanz fiel ihm ein. Wenn der jetzt lauschte, konnte er wenig dagegen tun.
    »Du musst keine Angst haben. Lobedanz stört uns nicht. Schließlich habe ich sein kleines Spionageprogramm geschrieben, also kann ich es auch sabotieren. Sogar mit Zeitschaltuhr.«
    Merz lachte. Diese Lache war Kramer von Merz nicht gewöhnt.
    »Und natürlich bist du es selbst, Rüdiger. Man kann dich an der Art erkennen, wie du auf einer Computertastatur schreibst, weißt du das? Du verschreibst dich oft beim t, nicht wahr? Rutscht immer mal wieder ein z dazwischen. Menschen sind so einfach.«
    Wieder dieses aasige Lachen.
    »Du fragst dich sicher, was das hier soll. Ob ich vor meinem Tod völlig durchgedreht bin. Richtig. Bin völlig durchgedreht. Fast völlig. Ich muss jetzt bald gehen.«
    Merz hielt seine Dienstwaffe ins Bild. Bitte nicht, dachte Kramer. Nicht vor meinen Augen.
    »Aber vorher, da hab ich noch einen Rat für dich.«
    Merz lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
    »Ich kenn dich doch. Sie haben dich in Urlaub geschickt, weil du ein bisschen Scheiße gebaut hast. Und du weißt natürlich, dass das nicht der wahre Grund ist. Deswegen reizt dich das Ganze jetzt doppelt. Mit der Kinderlandverschickung nach Dänemark hat dich Lobedanz erst recht scharf gemacht. Jetzt willst du es wirklich wissen. Warum die Stasi bei dir rumfingert, warum die Abusch nicht durch die Mangel gedreht werden darf, warum in diesem Fall alles so verfahren und dicht und zugeknöpft ist, bis oben hin. Hat Lobedanz den Deckel schon zugemacht? Besser so. Der weiß, was gut für ihn ist.«
    Merz fuchtelte mit der Pistole herum.
    »Aber du, du bist ein richtiger Idiot. Du willst die Wahrheit wissen, ja? Du willst durchblicken. Du lässt dich nicht verarschen.«
    Kramer fühlte eine irrationale Lust in sich aufsteigen, den Bildschirm von seinem Sockel zu stoßen. Merz war immer ein Witzbold gewesen, und er hatte auch nie ein Blatt vor den Mund genommen. Aber so hatte der echte Merz, der gesunde Merz, nie mit ihm geredet. Das war einfach nicht sein Stil gewesen. Andererseits, und das ärgerte ihn doppelt, hatte der Merz mit der Pistole in der Hand Recht. Kramer war wirklich neugierig. Er wollte die Wahrheit wissen.
    »Ich hab's rausgefunden. Ich weiß die Wahrheit. Zumindest einen großen Teil davon. Michael war auch nah dran. Deswegen ist er tot. Üble Sache. Ich geb dir einen guten Rat: Lass die Finger davon. Fang mit dem Rechner an, auf dem du so fleißig Polyplay spielst. Schmeiß ihn aus dem Fenster. Vergiss die ganze Angelegenheit. Trainier's dir ab, daran zu denken. Vergiss es so gründlich wie du kannst. Bitte.«
    Merz lehnte sich auf seinem Stuhl vor und rückte dadurch wieder näher. Seine Augen waren groß.
    »Du kannst nicht gewinnen, Rüdiger. Lass es sein.«
    Als wäre er wirklich hier, dachte Kramer. Als spräche er mit mir.
    »Ich muss jetzt bald gehen. Du hättest nichts tun können. Es gibt keinen Himmel.«
    Merz zündete sich eine Zigarette an, was mit der Pistole in der Hand nicht ganz leicht war. Eigentlich war er Nichtraucher gewesen.
    »Gib dir keine Mühe. Die Datei, die löscht sich selbst. Selbst wenn das nicht funktioniert, kannst du sie nicht finden. Such erst gar nicht danach. Mach's gut.«
    Das Fenster verschwand, und der Computer startete sich automatisch neu. Kramer fühlte sich, als sei er im falschen Film.
     
    Die Arbeit erledigte er an diesem Tag wie in Trance. Es gab einen Raubmord, den er aufzuklären hatte, aber die beiden anstehenden Vernehmungen führte hauptsächlich Pasulke, und er machte seine Sache gut. Kramer war nicht wirklich beteiligt, ihm ging immer nur ein und derselbe Satz durch den Kopf: Es gibt keinen Himmel. Pasulke fragte ihn einmal, was los sei. Kramer sagte, ihm sei nicht gut. Pasulke riet ihm, sich auszuruhen, und vielleicht ein oder zwei Tage freizunehmen. Er ging früher nach

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