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PolyPlay

PolyPlay

Titel: PolyPlay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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Wärmebild sorgte.
    Aber das galt nicht für Serverrack 9. Dort wurden die Prozessoren eindeutig zu heiß, und die Festplatten fielen so oft aus, als seien sie mehrere Jahre alt und stammten aus der zweiten Wahl eines Billigproduzenten. Verdammt noch mal, das waren Viper 2-Platten von TruSpace, einer kleinen, feinen und sehr teuren Firma in Bremerton/Washington, die den Begriff »Qualitätssicherung« überhaupt erst erfunden hatte. Was Besseres gab's für kein Geld der Welt, und in Serverrack 9 gingen pro Woche zwei davon vor die Hunde.
    Im Grunde konnte das nur Folgendes bedeuten: Irgendjemand machte mit der Hardware in Serverrack 9 Geschichten, für die sie nicht ausgelegt war, und reizte sie dabei auch noch bis zum Letzten aus: 24, 7, 365.
    Wes wollte herausfinden, was das für Geschichten waren.
     
    Er hatte Angst. Schon seit dem Frühstück hatte er Angst gehabt, weil er etwas Verbotenes plante, und es war ihm schon immer schwer gefallen, verbotene Dinge zu tun. Der ganze Morgen war von dieser Anspannung bestimmt worden, und obwohl er ein erwachsener Mann war, stieg in ihm das kindliche Gefühl auf, die anderen wüssten genau, was er vorhatte, und würden nur auf den geeigneten Moment warten, ihn bloßzustellen und zu bestrafen. Auf dem Weg zur Toilette war er Masters begegnet, und er hatte geglaubt, an diesem Morgen umspiele die Mundwinkel des Verteidigungsministers ein besonders höhnisches Grinsen. Allerdings grinste Masters immer höhnisch. Der Hohn war in seinem Gesicht festgefressen. Und trotzdem kroch die Paranoia an Wes hoch wie eine Boa Constrictor.
    »Na du Hühnerficker«, hatte Masters, die letzten Tropfen Urin von seinem Schwanz abschüttelnd, gutgelaunt gesagt, »heute wieder tauchen gehen?«
    Wes hatte geschwiegen, aus Angst, seine Stimme könne ihn verraten. Er hatte sich im Spiegel besonders kritisch betrachtet. Seine langen Haare, seine Brille, die blasse Haut und sein ausgewaschenes Holzfällerhemd kamen ihm gleichzeitig bedeutungsvoll und lächerlich vor. Ich sehe aus wie ein Hippie, dachte er, der zum ersten Mal Dope über die Grenze schmuggelt.
    Die Minuten waren dahingekrochen wie Schnecken und hatten schmale Schleimspuren auf seiner Tastatur, seinem Bildschirm, seinem Schreibtisch hinterlassen, die nur Wes sehen konnte. Er war zu oft auf dem Klo gewesen. Hatte zu viel Kaffee getrunken. War zu freundlich gewesen.
    12:30 Uhr. Als die anderen in die Mittagspause wollten, übernahm er die Alarmwache freiwillig. Er murmelte etwas davon, »die Fehleranalyse von gestern noch verfeinern« zu wollen; Susan nickte nur und schloss Tür. Im Grunde war das nicht einmal gelogen. Fehleranalyse: darum ging's. Nur nicht auf die Art, wie es üblicherweise gemeint war. Er zapfte die Datenströme zwischen Serverrack 9 und den anderen Maschinengruppen sowie dem Festnetz- und Satellitenlink zum Netz an und stellte sofort Anomalien fest: Der Datenfluss war außergewöhnlich, um nicht zu sagen extrem dicht. Was vom Serverrack zu den Satellitenschüsseln und zurück ging, verbrauchte fast die ganze zur Verfügung stehende Bandbreite. Das war bemerkenswert: Die Satellitenverbindung war eigentlich für Notfälle reserviert, namentlich für den Fall, dass die Unterseekabel zur Küste beschädigt oder durchtrennt wurden. Aber die Unterseekabel funktionierten prächtig. Und sie hätten auch noch eine Menge Bandbreite freigehabt: Kein Grund, auf die Satellitenschüsseln auszuweichen.
    Außerdem borgten sich die Prozessoren aus Serverrack 9 in auffallendem Maß Rechenzeit von den anderen Maschinen. Die Festplattennutzung betrug satte 99,6 Prozent. Das hieß, die Platten hatten so gut wie nie Pause. Wes baggerte sich bis zu den Dateien auf diesen Platten vor und erlebte eine zweite Überraschung: Sie waren alle verschlüsselt. Für Textdateien und Datenbanken wäre das normal gewesen, aber hier waren sogar die Anwendungsprogramme verschlüsselt. Zum Teil erklärte das, warum die Rechner mit dem Kram so große Mühe hatten: Alles musste im laufenden Betrieb ver- und wieder entschlüsselt werden, und das kostete einfach digitales Muskelschmalz.
    Andererseits bot ihm genau diese aufwändige Prozedur die Angriffsfläche, die er brauchte. Er aktivierte ein kleines Tool, das die fettesten Anwendungsdateien, Datenbanken und Verknüpfungsbibliotheken im Moment der Entschlüsselung kopierte. Nach zehn Minuten brach das Tool die Aktion selbständig ab, weil seine Festplatte und sein Arbeitsspeicher restlos voll zu laufen

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