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PolyPlay

PolyPlay

Titel: PolyPlay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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Würfel in den vorderen Ebenen zu und hüllte ihn in einen hellen Schimmer. Die Wände des Würfels schmolzen wie goldener Schnee und ließen nur die Verbindungsschläuche zurück, die eine Weile in den leeren Raum ausgriffen, wobei sie die gerade verschwundene Form des Würfels noch erahnen ließen. Dann kräuselten sich die Schläuche wie Strohhalme, die man über ein Feuerzeug hält. Sie schmolzen aber nicht einfach so weg, sondern bildeten – von Sekunde zu Sekunde besser lesbar – die Zeichenkette: AKTIVITÄT. Was war das jetzt wieder? Wes war nicht gut in Fremdsprachen. Deutsch? Das »Ä« ließ ihn eher an Dänemark oder so was denken. Die hatten doch die seltsamsten Buchstaben da oben. Verdammt, ich hätte in meinen Sprachkursen an der Uni besser aufpassen sollen, dachte er.
    »Geiler Bildschirmschoner«, sagte jemand in seinem Rücken. Wes zuckte zusammen und fuhr herum. Er blickte in das grinsende Gesicht von Susan. Er hatte sie nicht kommen hören, weil er zu versunken in seinen kleinen Hack gewesen war. Und jetzt grinste sie ihn unverfroren an, ein wenig schadenfroh, wie jemand, der sich eine kleine Rache gönnt.
    »Haste das denn her? Aus dem Netz? Kopiers mir doch mal bei Gelegenheit«.
    »Klar«, sagte Wes, »mach ich.« Seine Stimme klang in seinen eigenen Ohren wie ein kaputtes Spielzeuginstrument, und sein Herz schlug zum Zerspringen.
    Susan ging zu ihrem Arbeitsplatz, stellte den Kaffeebecher neben ihrem Bildschirm ab und tippte die Maus an, um ihren Rechner aus dem Schlaf zu wecken. Sie grinste immer noch.
    Wes handelte wie ein Automat. Er schaltete seinen Rechner ab. Dann startete er ihn neu, aber nicht wie üblich von der Festplatte, sondern von einer Boot-CD. Das war eine Vorsichtsmaßnahme, um CCONTR-LPP ein Schnippchen zu schlagen, falls es sich selbst irgendwo in den Bootpath eingeschmuggelt hatte. Er löschte das Verzeichnis, das all die gestohlenen Daten enthielt. Dann überprüfte er, ob die Serverplatten irgendeine Spur seiner Aktion verzeichnet hatten, und erst nach einer Suche von anderthalb Stunden gab er es auf: Nach menschlichem Ermessen war alles sauber.
    Kurz vor Schichtende war er müde wie ein Hund, sein Hemd war schweißnass, und er stank wie ein Straßenarbeiter nach einem heißen Arbeitstag. Er lehnte sich in seinen Sessel zurück und atmete durch. Die ganze Zeit hatte er verbissen gearbeitet und nicht gewagt, sich zu Susan umzudrehen. Als er es jetzt tat, lächelte sie ihn an und zwinkerte ihm sogar zu. Jetzt erst begriff er ihr Verhalten von vorhin.
    Einmal hatte er sie während einer Alarmwache beim Surfen im Netz erwischt. Selbstverständlich hatte er den anderen nichts erzählt. Wes war ein Pflichtmensch, aber kein Denunziant, vor allem nicht, wenn es um Lappalien wie eine nicht genehmigte Websession ging. Aber Susan hatte sich ihm die ganze Zeit gegenüber verpflichtet gefühlt, weil er ein kleines Geheimnis über sie kannte, und jetzt, da sie ihn scheinbar beim Herumspielen mit Bildschirmschonern ertappt hatte, ebenfalls während einer Alarmwache, war die Rechnung ausgeglichen: Er wusste etwas über sie, sie wusste etwas über ihn. Sie hatte nicht erkannt, dass das kein normaler Bildschirmschoner gewesen war, weil sie für die Arbeit am Bildschirm eine spezielle Brille trug, die sie während der Pausen absetzte.
    Er zwinkerte mühsam zurück.
    Vielleicht, dachte er, vielleicht habe ich mehr Glück, als ich verdiene. Vielleicht hat keiner was gemerkt.
    Als er nach der Schicht zu seiner Kajüte lief, war er im Kopf schon wieder klar genug, um sich zu fragen, was das dänische Militär mit den Servern von Sealand anstellte.
     
    In der Nacht hörte er einen Hubschrauber auf der Plattform landen. Aber der Wind hatte sehr aufgefrischt, die See war unruhig, und es konnte sein, dass er sich das nur einbildete.
     

Der Akkermann und der Tod
    Kramer fuhr ohne Orientierung durch Berlin. Sein Kopf schmerzte, seine Seele brannte, die mechanisch arbeitenden Hände am Lenkrad schienen nicht ihm zu gehören. Die nächtlichen Straßen der großen Stadt Berlin nahm er nur durch einen Tränenschleier wahr.
    Anette hinterging ihn, möglicherweise schon seit Jahren, und zwar ausgerechnet mit Akkermann! Wie selten hatte Anette in letzter Zeit mit ihm geschlafen! (Akkermann war schuld.) Wie spät war es immer bei der Wismut geworden! (Akkermann war schuld.) Wie müde war Anette oft spätabends nach Hause gekommen und ins Bett gekrochen, angeblich erledigt von der vielen Arbeit!

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