PolyPlay
sicheren Erwartung, ihn vor dem Fernseher oder im Bett zu finden.
Sie würde die Tür aufmachen, ihre Sachen abstellen und aufs Klo gehen, um sich ein wenig frisch zu machen. Akkermanns Sperma auswaschen. Nicht zu sehr nach Mann stinken. Dass die beiden gefickt hatten, war offensichtlich. In irgendeiner Besenkammer oder im Büro waren sie übereinander hergefallen, wie immer, wenn Speidel angeblich wieder seine beste Kraft bis in die Nacht hinein bei der Arbeit festgehalten hatte. Nachtschicht sozusagen – aber nicht mit Speidel, sondern mit Akkermann.
Sie würde sich frisch machen, die Spuren verwischen, und dann ins Schlafzimmer gehen, in der Absicht, sich glücklich und durchgefickt ins Bett gleiten zu lassen. Und das einzige, worüber sich Kramer in diesem Moment freuen konnte, war der Gedanke, dass sie sich mit der Idee verrechnet hatte, er liege wie üblich dumm und ahnungslos da und schlafe schon längst. Er bekam einen hysterischen Lachanfall. Heimfahren? Nie. Das würde einer von ihnen beiden nicht überleben. Hastig ließ er das Fenster herunter, weil er plötzlich zu ersticken glaubte. Die Bäume rauschten gewaltig.
Aktivität
Wes konnte nicht schlafen. In Serverrack 9 hatte es wieder eine Panne gegeben: Dieses Mal waren zwei Festplatten gleichzeitig ausgefallen. Auch diesen Fehler hatte das RAID-System problemlos abgefangen, aber Wes war zufällig einer wirklich schlimmen Sache auf die Spur gekommen: Die Temperaturregelung für die Server selbst musste schadhaft sein. Als er rein aus Routine die schmalen Gehäuse der Computer geöffnet hatte, war ihm die enorme Hitze aufgefallen, die die Motherboards vor allem um die CPUs herum abgaben.
Diese Dinger strahlten pro Quadratzentimeter mehr Wärmeenergie aus als eine Kochplatte, und Wes konnte ganz genau feststellen, dass die Kühlung nicht das hergab, was sie versprach. 128,3 Grad am Kühlkörper waren viel zu viel. Bereich gelb. Eigentlich schon fast orange. Wenn die CPUs wegschmolzen, sollte sofort ein Backup-System den Betrieb aufnehmen, aber dieser Fall galt als etwa so wahrscheinlich wie die Kernschmelze in einem Atomkraftwerk, war seines Wissens auf Sealand noch nie aufgetreten und rangierte deswegen in Wes' privater Sicherheitsphilosophie unter »ungetestet«. Wenn man sich blind darauf verließ, dass das schon klappen würde, konnte man genauso gut den Werbeanzeigen der Herstellerfirma glauben. Das tat Wes schon nicht mehr, seit ihm mit elf Jahren sein erster Headcrash die Daten einer Festplatte um die Ohren gehauen hatte.
Wes' exzellente Referenzen als Computerfachmann (US Army, Western Energy Sacramento/CA und IBM Headquarters Atlanta, Georgia) beruhten auf der Tatsache, dass er Probleme mit dem Equipment, gleich welcher Art, ernst nahm. Es kostete ihn einen halben Nachmittag, aber dann hatte er es raus: Die Kühlkörper, die Lüfter, die Wasser- und die Freonkühlung waren in Ordnung, aber die Software, die die Temperatursteuerung der Server kontrollierte, war nicht optimal konfiguriert. Sie errechnete Durchschnittstemperaturen für das ganze Rack, statt ihre Messpunkte einzeln zu gewichten und ihnen Alarmwerte zuzuordnen, so dass zu heiße und unterkühlte Maschinen zu einem Gesamtbild verrührt wurden, das auf dem Bildschirm oben im Kontrollraum okay aussah. Wes änderte das. Bei einem zweiten »Tauchgang« in Serverraum 1 verifizierte er, dass seine Änderungen den gewünschten Effekt gehabt hatten. Er schrieb einen Wartungsbericht mit erhöhter Prioritätsstufe an die Zentrale. Und dann machte er sich ernsthaft Gedanken darüber, was zum Teufel in Serverrack 9 eigentlich los war.
Die Software, die Kühlung und die Festplatten waren eigentlich in Ordnung. Wie gesagt, Wes vertraute den Angaben von Herstellern nicht so weit wie sein Arm reichte, aber er hatte auch eine Menge Erfahrung mit Hardware, und das Zeug, das auf Sealand zum Einsatz kam, gehörte zum Besten vom Besten. Die Kunden zahlten eine Menge Geld für die Sicherheit ihrer Daten, und soweit Wes das überblicken konnte, hielt sich die Veridat an ihr Versprechen, dieses Geld in Ausrüstung zu investieren, die etwas taugte. Selbst der Konfigurationsfehler für die Temperaturmessfühler war im Grunde verzeihlich, denn die Durchschnittsmessungen waren branchenüblich: Im Normalfall war eine allgemeine Übersicht über die Temperaturlage genau genug, weil sich die Prozessorlast der Erfahrung nach gleichmäßig über die Rechner verteilte und so auch für ein ausgeglichenes
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