Pommes rot-weiß
gespielt?«
»Dieselbe wie heute. Keine.«
Martens trat vor das Panoramafenster und es sah so aus, als ließe er seinen Blick schweifen über die endlosen Weiten der Bergheimer Prärie. Aber dann rückte er seine Frisur zurecht und mir wurde klar, dass er die Glasscheibe die ganze Zeit als Spiegel benutzt hatte. Die langweilige Landschaft da draußen interessierte ihn nicht die Bohne.
Mir kam die Idee, dass man Jünglinge wie Tilo Martens, die in guten Familien aufwuchsen, nicht immer um ihre Väter beneiden sollte.
»In meinem Job kann man es nicht zu etwas bringen«, erklärte mir Martens, als hätte ich mich nach den Aufstiegschancen erkundigt, »wenn man sich nur lieb Kind machen will. Man muss den Mut haben, den Leuten schon mal Sachen zuzumuten, von denen man weiß, dass sie ihnen nicht passen.«
»Und worin lag Tilos Fehler? Dass er das nicht wusste oder dass ihm keine unpassenden Sachen einfielen?«
»Die Umstrukturierung damals bei Nordrhein habe ich durchgezogen trotz aller Theuerzeits und Möllings. Und was Tilo anging, so war er die meiste Zeit krankgeschrieben.«
»Trotzdem bleibt für mich noch die Frage, ob Ihr Sohn sich wirklich alles nur ausgedacht hat.«
Martens trat einen Schritt auf mich zu. »Fragen Sie sich, was Sie wollen, Kittel. Aber so lange ich bezahle, bestimme ich auch, welche Fragen für Sie übrig bleiben. Sorgen Sie dafür, dass diese Dame mir nicht weiter die Kunden verschreckt. Und wenn Sie das geschafft haben, dann kommen Sie her und holen Ihr Geld.«
»Sie sind der Boss«, sagte ich und machte mich auf den Weg zur Tür. In diesem Moment öffnete sie sich und Ina Martens betrat den Raum. Sie nickte mir zu und ich grinste zurück.
»Gibt es etwas Neues?«, erkundigte sie sich bei Guido.
»Wieso steht der Mann eigentlich heute nicht da unten?«, fragte ich. »Wäre es nicht möglich, dass er aufgegeben hat?«
»War er heute schon da?«, wandte sich Martens an seine Gattin.
»Nein. Aber gestern Vormittag. Ich bin hinuntergegangen und habe ihn verjagt. Kaum zehn Minuten später war er wieder da. Ich fühle mich beobachtet.«
Ich verglich Ina Martens mit Kim. Die beiden Frauen ähnelten einander, obwohl sie nicht verwandt waren. Höchstwahrscheinlich bezogen sie lediglich das gleiche Trendmagazin. Und da stand in der Sparte Outfit und Make-up, dass momentan der blonde, feminine Typ angesagt war, verziert mit einer leichten Dauerwelle, und die Farben der Saison waren Brombeer-, Apricot- und Lilatöne.
»Keine Angst, Cherie, Kittel ist ihm auf der Spur. Es dauert nicht mehr lange.«
Vor dem Haus fuhr ein Taxi vor und ich wartete gespannt darauf, ob die gespenstische Mahnwache ausstieg, um ihren Dienst zu versehen.
Dann hupte der Fahrer. Martens sah auf die Uhr. »Das ist mein Taxi. Tut mir Leid, Cherie, aber ich muss weg. Die nächsten Tage jedenfalls wirst du vor ihm sicher sein. Wir werden in München schön essen gehen und dann…«
»In München?«
»Genau da.«
»Aber ich dachte, wir wollten hier in die Oper.«
»Schon, aber du weißt doch, Kim hat übermorgen ein Spiel und da dachte ich – du hast doch nichts dagegen?«
Inas Gesichtszüge gefroren zu Eis. »Natürlich nicht. Aber meinst du nicht, dass deine Tochter allmählich alt genug ist, dass sie so etwas schafft, ohne dass du ihr Händchen hältst?«
Martens schien froh darüber zu sein, dass er in Eile war. Im Hinausgehen winkte er mir zu. »Sie melden sich bei mir, Kittel, ich verlasse mich darauf!«
Seine Frau starrte ihm nach. Ihr Gesicht hatte sich weiter verfinstert, als hätte Guido sie darüber informiert, dass er das Wochenende kurzerhand mit einer anderen verbringen wollte.
Ina Martens konkurrierte mit ihrer Stieftochter, so viel war klar. Vielleicht hasste sie sie, weil sie wusste, dass sie im Wettkampf mit ihr nur unterliegen konnte, da sie den natürlichen Vorteil der Jüngeren niemals aufholen würde.
Draußen schlug eine Autotür. Das Taxi startete.
»Sind Sie auch der Meinung«, fragte ich Frau Martens, »dass Tilo eine kranke Phantasie hat?«
»Tilo ist ein Experte fürs Kranksein. Wenn er Phantasie hat, dann ist es wohl mehr als wahrscheinlich, dass sie wie er selbst krank ist. Aber alles hat zwei Seiten.«
»Welche?«
»Tilo kann nichts richtig machen, das ist die eine Seite. Und Kim kann nichts falsch machen.«
»Zwei Geschwister, die sich ergänzen.«
»Ausschließen, würde ich sagen. Sein Problem ist es, nicht ernst genommen zu werden, und ihres, vergöttert zu werden.
Weitere Kostenlose Bücher