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Pommes rot-weiß

Pommes rot-weiß

Titel: Pommes rot-weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Güsken
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der Meinung, dass er sich diese Geschichten nicht einbildet?«
    Sie musterte mich spöttisch. »Ich bin der Meinung«, verbesserte sie mich, »dass es nicht verboten ist, sich Geschichten einzubilden.«
    »Aber warum tut er das?«
    »Weil sein Vater ihn nicht ernst nimmt. Er hat mich immer vorgezogen und ihm als Beispiel vorgesetzt.«
    »Warum schmeißt er Sie dann nicht raus?«
    Ein einsilbiges Lachen entfuhr ihr, das weit über ihre Stimmlage kam. Sie warf den Kopf dabei hoch und es sah aus, als habe sich das Lachen gewaltsam den Weg aus ihr hinaus gebahnt.
    »Ihr Bruder glaubt, dass ihm jemand etwas unterschieben will. Und Ihr Vater scheint auch dieser Meinung zu sein.«
    Hendrix schob sich sanft hinter Kim weg. »Wenn wir die Sonne noch ausnutzen wollen, mein lieber Schatz, dann sollten wir los.«
    Er zeigte mit dem Finger auf mich. »Der Detektiv in meinem Buch kommt auch hinter so eine Geschichte. Jemand will einem anderen etwas unterschieben. Nur, was…?«
    »Immerhin«, fuhr ich, an den lieben Schatz gewandt, fort, »gibt es diesen schwarz gekleideten Herrn, der ihm das Leben schwer macht, und der entstammt nicht Tilos reger Phantasie. Haben Sie vielleicht eine Idee, worauf dieser Mann hinauswill?«
    Kim Martens spitzte ihren brombeerfarbenen Mund. »Ich kann Ihnen nicht sagen, wie Sie Ihre Arbeit tun sollen. Aber um Tilo etwas anzuhängen, müsste es jemanden geben, der Angst vor ihm hat. Ich kann mir keinen vorstellen.«
    »Bei Ihrem Vater könnten Sie das aber?«
    »Es wäre immerhin vorstellbar.«
    »Aber warum setzt er dann einen Detektiv auf seine eigene Spur?«
    »Ich habe nicht gesagt, dass die Spur zu ihm führt. Nur, dass es jemanden geben könnte, der diesen Anschein erwecken will.«
    »Ich werde mich umziehen«, verabschiedete sich Hendrix und nickte mir ein letztes Mal zu.
    »Denken Sie dabei an etwas Bestimmtes?«, fragte ich. »Zum Beispiel an den Fall Mölling?«
    »Tut mir Leid.« Kim sah auf die Uhr. »Ich werde jetzt noch ein bisschen trainieren. Falls Sie warten wollen, bis mein Bruder aufwacht…«
    Auf die Rheinbrücke fuhr wieder ein Güterzug auf. Also blieb ich noch ein wenig, um Waggons zu zählen. Kims Parfüm hielt den Raum, den sie eingenommen hatte, noch besetzt, als das Pärchen längst am Rhein entlangjoggte.
    Leute wie sie vergeudeten ihr Leben nicht. Während andere ihre Zeit damit totschlugen, sich über ihr Zukurzgekommensein zu beschweren, fanden sie frühzeitig ihre Stärken heraus und setzten optimal ihre Fähigkeiten ein. Sie hatten keine Zeit, sich zu beschweren. Ständig waren sie eingespannt und sämtliche Freizeit ging für das Training drauf. Denn nur wer seine Ellbogen trainierte, hatte eine Chance, sich in der großen Schlange des Lebens nach vorne zu drängeln.
    Ich dagegen hatte schon viel Zeit vergeudet und fragte mich, ob ich Kim beneidenswert fand. Ob ich Frauen bewunderte, deren Schönheit nur ein Nebenprodukt ihres Fleißes war. Es lohnte nicht, von ihnen zu träumen, denn sie hatten keine Zeit für romantische Abende am Kamin, obwohl sie sich ein Dutzend Kamine leisten konnten.
    Vielleicht hatten sie Recht damit. Das Leben war kurz genug und für sie war es noch kürzer, weil es nur so lange als solches zählte, wie sie jung und topfit waren. Die zweite Hälfte ihres Lebens ging für die anstrengende Illusion drauf, es bestünde aus zwei ersten Hälften.
    Bevor ich ging, klopfte ich noch ein paar Mal an Tilos Schlafzimmertür. Keine Reaktion erfolgte.
    Neben der Tür an der Wand klebte ein Poster, auf dem ein langes, blutiges Messer abgebildet war:
     
    FÜR EINEN GARANTIERT TRÄNENREICHEN ABEND:
    R. BLOCHS DRAMA ›PSYCHO‹
    IN EINER VÖLLIG NEUEN INSZENIERUNG
    VON RUDI KASOLASKO IN DER WEINSTUBE.
    PREMIERE AM 24.2.97.
     
    Unter dem Messer war ein grobkörniges Schwarzweißfoto, das das Ensemble zeigte. Einer der Leute sah Tilo Martens sehr ähnlich, aber ich konnte nicht sagen, ob er es wirklich war. Möglicherweise rührte die Ähnlichkeit auch daher, dass der Mann auf dem Foto ein Taschentuch in der Hand hielt.

9
     
     
     
    Am Montagmorgen erhielt ich endlich ein Lebenszeichen von Henk.
    Es war eine Ansichtskarte, die allerdings keine Landschaft zeigte, sondern einen im Sinken begriffenen Luxusliner namens Titanic.
    Kann dir alles erklären, schrieb mein Partner, keine Sorge, ich melde mich wieder. Bleib ruhig.
    Die Karte war in Mönchengladbach abgestempelt worden, was bedeuten konnte, dass Henk auf dem Weg in die Niederlande war oder von dort

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