Pommes rot-weiß
Beides ist auf die Dauer nicht gut.«
»Aber Kim macht einen ganz munteren Eindruck«, erinnerte ich mich.
»Sie sieht blendend aus und ist in Topform, so lange sie eine Siegessträhne hat. Aber falls sie einmal verliert, stürzt sie ab. Und die Angst davor, dass das passieren könnte, raubt ihr den Schlaf.«
In den letzten Worten klang klar und deutlich so etwas wie Genugtuung mit.
»Als ich kam«, sagte ich, »hatte sie gerade geschlafen.«
»Nun, dafür gibt es Tabletten.« Sie lächelte. »Für alles gibt es Tabletten.«
Was den Körper und seine Kondition anging, so war Ina vielleicht die Unterlegene. Aber wenn sie es klug anstellte, konnte sie ihren Nachteil ausgleichen, indem sie die Rolle der bösen Stiefmutter mit allen Tricks und Gemeinheiten kultivierte.
»Sie wollen mir also sagen, dass die Sache genauso gut auch mit ihr zusammenhängen könnte.«
Ina Martens zuckte mit den Schultern. »Sie sind auf der Suche nach jemandem, der sich rächen will. Glauben Sie mir, Sie finden eher einen, der sich an ihr rächen will als an ihm. Mehr will ich nicht sagen.«
Als ich wenig später im Nebeldunst zum Auto zurücktrottete, fragte ich mich, woher sie wissen wollte, dass ich so jemanden suchte. Ich schloss den Wagen auf und sah mich noch einmal um, bevor ich einstieg. Drüben, vor Martens Haus, stand nun der Schwarzgekleidete. Aber ich hielt es für keine gute Idee umzukehren. Bei dem Nebel konnte ich nicht erkennen, ob er es wirklich war und nicht irgendein schwarz gekleideter Passant. Und wenn er es war, dann würde er mich wieder abhängen wie beim letzten Mal.
Während ich Gas gab, fiel mir ein, dass ich vergessen hatte, Martens zu fragen, was er unter einem ›stinknormalen Selbstmord‹ verstand.
10
Die Zeit meiner Krankheit war zu Ende gegangen. Am Dienstag stand ich wieder im Buchhaus Zeltinger und spielte den Ladendetektiv. Lämmerhirt, mein Chef, war nicht im Haus, er redete auf einer Geschäftsführertagung in Bad Neuenahr zum Thema Was nicht zählt, zählt – die metaphysische Dimension der Sparsamkeit. Auch die Kunden waren nicht im Haus, sie hatten sich entschlossen, angesichts des unfreundlichen Wetters nicht vor die Türe zu gehen und ihr Buch lieber noch einmal zu lesen, als sich ein zweites zuzulegen. Also war außer mir nur Olga Öllisch im Laden, wie ich allein vom materiellen Zwang dazu getrieben, zwischen den muffigen Regalen umherzustöbern.
»Kennst du eigentlich einen Heino Hendrix?«, fragte ich Olga.
Ihr Kopf tauchte hinter einem gewaltigen Stapel Remittenden hervor. »Was willst du hören, Kittel: Soll ich jetzt mit bebender Stimme flüstern: den Heino Hendrix?«
»Also kennst du ihn nicht. Habe ich mir schon gedacht. Ein Angeber.«
Sie musterte mich kritisch und ihre buschigen Brauen bewegten sich aufeinander zu wie zwei Raupen, die sich etwas zuflüsterten. »Soll das ein Witz sein? Jeder kennt ihn.«
»Ich nicht.«
»Du kennst doch nie jemanden.«
»Und was schreibt der Mann so?«
Olga verlies ihre Remittenden-Burg, trat an ein Regal und suchte mir zwei Bücher heraus. Schnauze voll – ein ungeschminktes Lippenbekenntnis und Der Suff ist grün wie der Morgen rot.
Ich hielt Schnauze voll hoch. »Ist das gut?«
»Das ist nicht nur gut. Das ist Spitzenklasse.«
»Hast du es gelesen?«
»Nee, das nicht gerade.«
»Also du kennst es nicht und findest es deshalb gut. Tolle Empfehlung.«
Die dunklen Raupen wanden sich entrüstet. »Mensch, Kittel, das Buch hatte sagenhafte Besprechungen. Beide Titel laufen wie warme Brötchen. Die Fernsehsender reißen sich um den Mann, seitdem das Literarische Quartett ihn zu einer Offenbarung erklärt hat.«
»Tut mir Leid, Kartenspiel ist nicht mein Ding.«
Olga sah mich krumm an. Dann zog sie einen Prospekt unter dem Tresen hervor und las laut: »›Hendrix ist der Vertreter einer neuen, deutschen Gegenwarts-Prosa, die bissig ist, unhandlich und doch immer lyrisch und verträumt. Er macht es einem nicht gerade leicht, aber genau dafür ist man ihm dankbar. Mit seiner knappen, unprätentiösen Erzählweise, die gleichzeitig facettenreich und spielerisch ist wie eine Mischung aus Thomas Mann und Franz Beckenbauer, spricht der Autor die Sprache der neuen deutschen Mitte. Ein Buch, das man nicht aus der Hand legen kann.‹ So die Kritiker.«
»Alle Achtung«, gab ich zu. »Das hätte ich dem Mann nicht zugetraut.«
»Sag bloß nicht, du kennst ihn persönlich.«
»Wie du schon sagtest, ich kenne nie jemanden. Aber
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