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Pommes rot-weiß

Pommes rot-weiß

Titel: Pommes rot-weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Güsken
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Schwarzen im Auge bis zum Chlodwig-Platz, wo er die Bahn verließ. Er machte nicht gerade einen frischen Eindruck. Wahrscheinlich hatte er Martens schon am frühen Morgen die Aussicht verdorben. Jetzt hatte er sich mit einem kleinen Imbiss gestärkt und war auf dem Weg in den verdienten Feierabend.
    Vom Sachsenring bog er in eine Seitengasse ab und verschwand nach wenigen Metern in einem Hauseingang.
    Ich wartete eine halbe Minute, dann kam ich nach. Einige der Namensschilder neben den Klingelknöpfen waren völlig unlesbar, andere sorgfältig mit Schreibmaschine getippt. Eins war aus lila Papier mit einer Friedenstaube darauf und enthielt nur Vornamen. Davon kam mir einer bekannt vor. Ich klingelte.
    Da die Wohnung im obersten Stockwerk lag, war es vom Schnarren des Türöffners bis zum Eingang noch ein beachtlicher Weg. Als ich an die Wohnungstür klopfen wollte, wich sie vor mir zurück.
    »Kittel! Was haben Sie denn hier zu suchen?«, wollte Melanie wissen.
    »Ich brauche nichts mehr zu suchen. Ich habe etwas gefunden. Den schwarzen Mann.«
    Sie machte ein ungläubiges Gesicht. »Und Sie haben sich hierher bemüht, um mir das zu sagen?«
    »Verkaufen Sie mich nicht für dumm«, riet ich ihr barsch. »Er wohnt hier und Sie wissen das genau.«
    »Will er dir Ärger machen, Melanie?«, erkundigte sich jemand von drinnen. Ein schmächtiger Student im Feinrippunterhemd und mit einer John-Lennon-Brille auf der winzigen Nase trat hinter sie.
    »Und wenn?«, schnaubte ich angriffslustig. »Was wollen Sie dagegen unternehmen? Mit mir diskutieren oder eine Unterschriftenaktion gegen mich anzetteln?«
    »Danke, Alf. Schon gut.« Melanie trat einen Schritt zurück und es hätte nicht viel gefehlt und sie hätte den armen, kleinen Alf zerquetscht. »Na schön«, wandte sie sich an mich, »kommen Sie rein.«
    Ich trat durch den winzigen Flur in eine geräumige Wohnküche, in der mehrere Generationen gebrauchter Kaffee- und Teetassen von harter politischer Arbeit zeugten.
    Don’t be happy – worry!, mahnte ein kleines, einfach gehaltenes Plakat die Bewohner der Küche, sich nur so weit um das leibliche Wohl zu kümmern, als es der Erhaltung und Wiederherstellung der politischen Kampfkraft diente. Fröhlichkeit war verdächtig in einer Welt der antifaschistischen Aktion und des täglichen Kampfes gegen die Klimakatastrophe, und wer Humor haben wollte, musste sich dafür eine Sondergenehmigung holen. Der Meinung waren auch Rosa Luxemburg, Che Guevara und jener Südtstadt-Heilige, der Erfinder des Mundartrock, der inzwischen eine Art Willy Millowitsch der Hausbesetzerszene geworden war.
    »Ich habe den Mann zufällig am Barbarossa-Platz gesehen und bin ihm bis hierher gefolgt.«
    »Bis hierher?«, mischte sich Alf ein. »Also bis zum Haus.«
    »Ja, wohin sonst.«
    »Woher wollen Sie dann wissen, ob er hier in diese Wohnung gegangen ist?«
    Was bildete der sich ein? Schrieb ich ihm etwa vor, wie er seine Seminararbeiten abzufassen hatte?
    »Wer wohnt noch hier?«, fragte ich Melanie, ohne Alf zu beachten.
    »Mannie«, sagte sie. »Manfred Gerresheim.«
    »Kann ich ihn sprechen?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich glaube kaum. Er kommt gerade von der Arbeit und haut sich jetzt erst mal hin.«
    »Sag ich doch!«, triumphierte ich. »Wie sieht er aus?«
    »Groß und schlank, schwarze Hose, schwarzer Hut, schwarzer Mantel«, beschrieb ihn ihr Mitbewohner.
    »Das ist er!«, rief ich.
    Alf grinste müde.
    »Und wenn Sie sich alles einbilden?«, schlug Melanie vor.
    Allmählich hatte ich diese Komödie satt. »Dieses Nachtgespenst hat mich gestern von hinten angefallen. Das habe ich mir nicht eingebildet.«
    Alf, der Schmächtige, grinste schadenfroh. »Da haben Sie sich wohl mächtig erschreckt, was?« Er deutete auf den Boden, auf dem ich stand. Da war eine Wasserpfütze.
    »Blödsinn. Das ist vom Regen.«
    »Vom Regen.«
    »Haben Sie vielleicht ein Handtuch?« Ich nieste. »Ich habe dummerweise vergessen, Regenzeug überzuziehen.«
    »Gesundheit.« Melanie reichte mir etwas, das wie eine ehemalige DDR-Flagge aus Frottee aussah, geleitete mich auf den Flur und zeigte auf eine Tür. Ich verschwand ins Badezimmer.
    Es gab eine Badewanne auf Füßen und ein Waschbecken mit einer uralten Messingarmatur, die einen komplizierten Jazzrhythmus tropfte. Eigentlich hätte es ein gemütliches Klo sein können, das den langen Aufenthalt lohnte. Aber es gab nicht eine einzige Illustrierte, nur politische Pamphlete. Aus linken Zeitungen säuberlich

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