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Pommes rot-weiß

Pommes rot-weiß

Titel: Pommes rot-weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Güsken
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von mir?«
    »Mensch, ich mach dich alle, wenn ich dich noch einmal erwisch…«
    »Erwischen? – Aber ich wohne hier.«
    »Also, pass auf. Ich sach dat nur einmal.«
    Ich konnte nicht mehr. Ich musste einatmen, obwohl ich wusste, dass mir das den Rest geben würde.
    »Dat janze Zeuch, wat vorher war. Dat jeht kein Schwein mehr wat an. Kapiert?«
    »Vorher?«, keuchte ich, am Ende meiner Kraft. »Welches Zeuch denn?«
    Diesem Gestank war nicht beizukommen, wenn ich einfach nur lüftete. Ebenso wenig wie man diesen Mann hinauslüften konnte. Wahrscheinlich würde ich ausziehen müssen…
    Schrader ließ sich auf meiner Couch nieder. Er hatte ein kantiges, geradezu viereckiges Gesicht. Von beiden Mundwinkeln führten zwei Falten zu den Gesichtsecken, auf denen sich wie Steilwände, mit Ohren beklebt, Backen und Schläfen erhoben. Er hatte kurze, muskulöse Arme, die an seinem massigen Körper wie Zangen an einem Krebs aussahen. Auf seiner Thermojacke in verwaschenem Grün, genau unter der Stelle, wo die Arme am Körper befestigt waren, breiteten sich große dunkle Flecken aus. Sie schüchterten mich mehr ein als ein auf mich gerichteter entsicherter Revolver.
    »Damals hab ich Heino die Sachen nämlich jejeben und da war nix Schlimmes dabei. Aber jetz kommt der Blödmann an und will alles jroß ausposaunen. Ich sach Ihnen: Der war dat selbs schuld!«
    »Was denn ausposaunen?«
    In diesem Moment klingelte es an der Tür.
    Der Krebs ruderte verunsichert mit den Armen. »Wer is dat jetz?«, fuhr er mich an.
    »Woher soll ich das wissen? Jemand hat geklingelt«, erklärte ich.
    »Versuch bloß nich, mich zu verarschen!« Er sprang auf und schubste mich rüde zur Seite. »Dat weiß ich selbs!«
    Der Nachteil seiner schrecklichen Waffe war, dass er seine Anwesenheit vor unerwartetem Besuch nicht verbergen konnte, indem er sich im Schrank versteckte. Offenbar war er sich darüber im Klaren.
    Ein letztes Mal schwenkte er seine Faust vor meinem Gesicht. »Ich hab dich jewarnt.«
    Er sprang auf, lief den Flur entlang und schob sich aus der Tür. Das Tappen seiner Schuhe im Treppenhaus mischte sich mit denen, die auf dem Weg herauf waren. Ein dumpfes Stampfen wie von einem prähistorischen Koloss gegen das klare, knappe Stakkato hoher Absätze.
    Schrader hatte gerade so etwas wie einen Tathergang erwähnt. Leider hatte er nicht gesagt, welchen. Etwas, das kein Schwein mehr anging. Wer war der Blödmann, der alles ausposaunen wollte? Und was wollte er ausposaunen? Dass er, Schrader, Heino irgendwelche Sachen gegeben hatte, wo angeblich nichts Schlimmes dabei gewesen war?
    Clever, wie er war, hatte mir dieser Mann ein Rätsel aufgegeben, das es in sich hatte. Er hatte mir alles verraten und dennoch kein Wort preisgegeben. Der rohe, schwitzende Bursche war ein Meister des genial eingefädelten Verbrechens.
    Dankbar und wie ein Verdurstender streckte ich die Nase aus der Wohnung und sog den miefigen, leicht mit Urin angereicherten Geruch des Treppenhauses ein wie die erfrischende Brise der hohen See.
    Der Mann, dessen Ausdünstungen die Genfer Konvention jederzeit in ihren Ächtungskatalog aufgenommen hätte, war alles andere als clever. Er war genau das Gegenteil. Er hatte sich nicht einen Moment klargemacht, dass es besser war, den Mund zu halten, wenn man jemanden davon abhalten wollte, etwas herauszufinden. Leider konnte ich von seiner Beschränktheit in keiner Weise profitieren, da sie ihn gleichzeitig außer Stande setzte, auch nur einen einzigen Satz so herauszubringen, dass irgendjemand ein Wort davon verstand.
    Die Frau, die die Stufen zu meiner Wohnung heraufstöckelte, war groß, kräftig und rothaarig. Eigentlich war sie nicht wirklich kräftig, das sah nur so aus, weil sie ständig fror und deshalb unter ihrem Wintermantel so viele Klamotten übereinander trug wie eine überaus erfolgreiche Kaufhausdiebin. Auch war sie nicht wirklich rothaarig. Sie färbte ihr Haar, weil sie hoffte, damit als etwas Besonderes zu gelten, als irgendwie individueller als die anderen Individuen. Leider sahen das zu viele Frauen genauso.
    »Endlich trifft man dich mal an«, rief sie mir von der Treppe aus zu.
    »Hallo, Babsi«, sagte ich.
    »Kittel, lange nicht gesehen.« Sie machte ein paar Schritte in die Wohnung und blieb dann schnüffelnd stehen. »Du solltest mal andere Sachen kochen«, riet sie mir.
    »Das hat nichts mit Essen zu tun.«
    »Weißt du, woran mich das erinnert? Letztes Jahr sind bei uns in der Pathologie die Kühlsysteme

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