Pommes rot-weiß
ausgefallen, mitten im heißesten Sommer. Die meisten Kollegen haben sich nach ein paar Tagen krankgemeldet. War einfach nicht zum Aushalten.«
»Tut mir Leid.« Ich machte einen Rundgang durch die Zimmer und öffnete alle Fenster. »Lass uns irgendwohin gehen.«
Zehn Minuten später saßen wir an einem Tisch im La Mancha. Jiorgos zückte sein Feuerzeug und entzündete die Tischkerze.
»Was verschafft mir die seltene Ehre?«, fragte ich.
»Auf dem Anrufbeantworter klangst du so – schockiert.« Barbara Bonnek nahm die Kerze, hielt sie vor ihr Gesicht und verband beides mit einer Zigarette. »Das hat mich neugierig gemacht.«
»Und da kommst du erst jetzt?«
»Ich hatte zu arbeiten. Zurzeit ist Hochsaison und mein Chef ist in Urlaub.«
Ich grinste. »Weihnachtsgeschäft, was?«
»Offenbar wollen einige ihre Morde noch erledigen, um sich dann in aller Ruhe ihren Weihnachtsgeschenken widmen zu können.«
»Hast du was von Henk gehört?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Bis jetzt jedenfalls ist er mir nicht auf den Tisch gekommen.«
Ich gab mir Mühe, ihr die Geschmacklosigkeit nicht übel zu nehmen. Gerichtsmediziner hatten eine ganz eigene Art zu scherzen.
»Auf dein spezielles, Kittel.« Sie kippte ihren Aperitif-Ouzo erstaunlich schnell. Als ich gleichziehen wollte, merkte ich, dass sie meinen genommen hatte. Ihren musste sie abgefangen haben, noch bevor Jiorgos Gelegenheit gehabt hatte, ihn auf den Tisch zu stellen.
»Henk steckt in irgendeinem Schlamassel«, sagte ich. »Da sind tumbe Typen hinter ihm her, die ihn fertig machen wollen. Sie lassen nichts unversucht, um an ihn ranzukommen. Also werden sie irgendwann auch bei dir aufkreuzen. Deshalb wollte ich dich warnen.«
»Was sollten die von mir wollen?«
»Rauskriegen, wo Henk steckt.«
»Ich habe nicht die leiseste Ahnung.«
»Das werden die dir nicht abnehmen. Außerdem könnten sie versuchen, ihn zu zwingen, aufzutauchen, indem sie sich dich greifen.«
Sie kicherte. »Komm schon, Kittel, wir sind erwachsene Menschen.« Die Tatsache schien für sie ein Problem zu sein. »Du meinst, die sind hinter ihm her, weil er diese Tussi hat?«
Babsi war so freundlich, mir das Essen bei Jiorgos auszugeben. Danach zogen wir noch in drei andere Kneipen. Sie erzählte mir von der interessanten Arbeit mit ihren Leichen und der langen, wechselvollen Beziehung zu Henk.
»Er ist einer, der immer zurückkommt«, sagte sie. »Zwischendurch laufen ihm diese zwanzigjährigen Girlies über den Weg, du weißt schon, die mit den langen Beinen und den tollen Titten, und die vernascht er dann. Er meint es nicht böse, aber er kann eben nicht anders. Und wenig später ist er wieder da. Ich frage dich, wie lange du so was mitmachen würdest.«
»Ich?«
»Ja. Wärst du der Typ für so was?«
»Kommt drauf an«, meinte ich. »Als Zwanzigjährige oder als Henk?«
»Er will seinen Spaß und ich soll immer da sein und ihn nach seinen Abenteuern wieder in mein Bett lassen. Ich sag dir, irgendwann ist Schluss damit.«
Ob es mir passte oder nicht, ich begann Babsi allmählich in einem anderen Licht zu sehen.
»Was meinst du«, fragte sie, nachdem sie mich zum letzten Drink eingeladen hatte. »Du kennst Henk. Du bist sein Freund. Sein Kollege. Kann man ihn damit beeindrucken, indem man ihm mit gleicher Münze heimzahlt?«
»Du meinst…«
»Genau«, sagte sie heiser.
»Also… möglich wär’s. Ihr seid schließlich erwachsene Menschen…«
Wir brachen auf. Ich war zu diesem Zeitpunkt hauptsächlich damit beschäftigt, mich daran zu erinnern, wer ich war und wo, was mir von Minute zu Minute schwerer fiel.
»Du bist anders als Henk«, sagte Babsi ernst. Sie meinte es als Kompliment, als seien die meisten Männer so wie Henk, und wenn es irgendetwas gäbe, wofür man Männer verabscheuen müsse, dann, dass sie so seien wie Henk.
»Anders?«
»Du hast dir Sorgen um mich gemacht. Das war deiner Stimme auf dem Anrufbeantworter anzuhören. Darin war nicht nur Sorge um mich. Darin war mehr. Da war…«
Barbara Bonnek bestand darauf, dass ich sie nach Hause begleitete, falls die Mafiosi inzwischen auf sie warteten. Sie wohnte in einer der besseren Gegenden in Sülz, wo man die ganze Straße in helles Licht tauchen konnte, einfach indem man nah genug an Hauseingängen vorbeiging, und wo ein Streifenwagen wie aus dem Nichts auftauchte, sobald man nur eine Bierdose über die Straße kickte.
Henk wusste nicht, was er an dieser Frau hatte. Wie konnte er nur so oberflächlich
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