Pommes rot-weiß
Naturschauspiel, trieben Schauminseln auf der grünlichen Flüssigkeit wie Packeis im eiskalten Wasser der Beringstraße. Allerdings gab es weder Eisbären noch Pinguine, dafür aber ein überdimensional großes Gesicht, das etwa so fassungslos aussah wie das von Scott, dem britischen Polarforscher, als er nach seiner mörderischen Expedition am Nordpol die norwegische Flagge vorgefunden hatte.
»Drei Hände«, murmelte Dr. Otzenrath, der Mann von der Gerichtsmedizin, und kämpfte sich mühsam aus der Hocke auf die Beine. »Dat is eine zu viel. So viel kann ich jetzt schon sagen.«
»Ich brauche aber die Todesursache«, forderte Mattau, der bei dem schwarzen Waschbecken lehnte und die Krümel seines Butterbrotes hineinfallen ließ.
»Ich tippe auf Herzversagen«, sagte Otzenrath. »Aber Genaueres gibt es erst nach der Obduktion.«
Mattau hatte mich bemerkt und deutete mit seinem Butterbrot auf die Badewanne. »Tja, da staunen Sie, Kittel. Endlich haben wir hier mal eine Leiche.«
Tilo hockte mit einem Glas Wasser in seinem Schlafzimmer auf dem Bett. Er sah bleich und erschöpft aus, aber er hielt den Kopf hoch erhoben. Endlich stand er nicht als Spinner da.
»Hallo, Kittel«, sagte er und prostete mir mit seinem Wasser zu, als sei das hier eine Party, zu der ich verspätet erschienen war.
»So etwas hatten wir bisher noch nicht.« Der Kommissar stieß sich von der Wand ab und kam zu mir herüber. Sein Butterbrot war mit einer stark knoblauchhaltigen Salami belegt. »Wir hatten ganze Tote, halbe und manchmal nur einzelne Teile. Scheußlich anzusehen. Aber hier ist eins zu viel.«
»Haben Sie schon eine Idee, was sich abgespielt haben könnte?«, erkundigte ich mich.
»Der Mann hat gebadet. Alles war so, wie es sein sollte. Und dann fiel plötzlich dieses Ding ins Wasser.« Mattau deutete auf etwas grau Schimmerndes, das auf der Fensterbank direkt über der Wanne lag. Eine menschliche Hand mit Handgelenk, in deren Handfläche sich Kabel wanden. Die Hand eines Elektrikers.
»Wenn Sie mich fragen, ist das eindeutig. Mehr als eindeutig sogar. Denn dass Hendrix Dreihänder war, können wir ja wohl ausschließen.« Er sprach mit vollem Mund. »Sehen Sie diese Apparatur? Die hat dafür gesorgt, dass sich die Hand bewegt. Wahrscheinlich funktioniert das mit Fernbedienung.«
»Aber warum sollte sich die Hand bewegen?«
»Ist doch klar, damit Hendrix sich erschreckte. Und das hat ja auch geklappt. Möglich, dass auch Stromschlag die Todesursache war, hervorgerufen durch diesen Mechanismus.«
Ich pfiff durch die Zähne. »Kalte Hand im blauen Wasser. Hendrix war ein Prophet. Ein Autor mit Sehergabe. Das hat es seit Nostradamus nicht mehr gegeben.«
»Eine normale Fernbedienung reicht nicht besonders weit. Also können wir davon ausgehen, dass der Mörder in der Nähe war.«
»Was ist mit seiner Angebeteten, Kim Martens?«
»Sie hat noch keine Ahnung. Heute bestreitet sie ein wichtiges Turnier in München und kommt morgen erst zurück. Das heißt, falls sie ins Endspiel kommt, erst übermorgen. Wenn sie vorher was läuten hört, kann sie den Sieg vergessen. Und das wollen wir doch nicht riskieren, oder?«
Der Schaum in der Badewanne fiel immer mehr in sich zusammen und erinnerte nicht länger an Packeis. Größer und größer wurde die grüne Wasserfläche, während sich die schrumpfenden Bläschenteppiche verzweifelt zu Inseln zusammenschlossen. Aber ihr Kampf gegen das kalte, grüne Wasser war aussichtslos.
»Die Frage ist«, sagte Mattau, »ob er Feinde hatte.«
»Er war unbequem, das konnte man überall lesen. Ich wusste nicht, dass er so unbequem war.«
»Außerdem ist zu fragen, ob jemand von seinem Tod profitiert.«
»Beispielsweise sein Verlag. Ein toter Autor vermarktet sich bekanntlich besser als ein lebender. Außerdem gibt es noch Biographie, Nachruf und jede Menge betroffener Aufsätze. Dann die Dokumentarfilme über seine Geburtsstadt und Interviews mit all den Leuten, die ihn als Kind gekannt haben…«
»Ja, ja«, sagte der Kommissar, wenig aufgeheitert. »Aber so kommen wir nicht weiter. Freitag erst dieser Schrader und heute der, das ist der Punkt.« Mattau kraulte sein schwammiges Kinn. »Die Morde stehen möglicherweise in einem Zusammenhang. Irgendjemand ist sehr interessiert daran, dass die beiden etwas nicht mehr ausplaudern konnten.«
»Haben Sie etwas über Schrader herausgefunden?«
Mattau glotzte mich verständnislos an. »Seit vorgestern? Für wen halten Sie uns, Kittel? Für
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