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Pompeji

Pompeji

Titel: Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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noch halten und ob das Gewicht dessen, was über ihnen war, sie unter Wasser drücken würde. Er versuchte, sich mit dem Gedanken zu trösten, dass Bimsstein leicht war. Wenn die Baumeister in Rom eine große Kuppel errichteten, mischten sie ihn manchmal anstelle von Gesteins- und Ziegelbrocken in den Zement. Dennoch wurde sich Attilius allmählich der Tatsache bewusst, dass das Schiff eine leichte Schlagseite hatte, und wenig später schrien einige der Ruderer rechts von ihm in panischer Angst, dass Wasser durch die Riemenöffnungen hereinströmte.
    Torquatus befahl ihnen grob, still zu sein, dann rief er Plinius zu, dass er mit ein paar Männern an Deck müsse, um das Gestein über Bord zu schaufeln.
    »Tu, was getan werden muss, Kommandant«, entgegnete der Befehlshaber. Seine Stimme klang gelassen. »Hier spricht Plinius!«, brüllte er plötzlich gegen das Tosen des Sturms an. »Ich erwarte von jedem Mann, dass er sich wie ein römischer Soldat verhält. Und wenn wir nach Misenum zurückkehren, werde ich veranlassen, dass ihr belohnt werdet. Das verspreche ich euch.«
    Aus der Dunkelheit kamen einige höhnische Rufe.
    »Du meinst wohl, falls wir zurückkehren!«
    »Du warst es, der uns in diese Lage gebracht hast!«
    »Ruhe!«, brüllte Torquatus. »Aquarius, willst du mir helfen?« Er war die kurze Leiter zur Luke emporgestiegen und versuchte, sie aufzustoßen, aber das Gewicht des Bimssteins war zu groß. Attilius tastete sich an dem Balken entlang und trat zu ihm auf die Leiter, hielt sich mit einer Hand fest und drückte mit der anderen gegen die Holzplatte über seinem Kopf. Gemeinsam hoben sie sie langsam an, und Gesteinstrümmer prasselten auf ihre Köpfe und landeten auf dem Holz unter ihnen. »Ich brauche zwanzig Mann!«, befahl Torquatus. »Die ersten fünf Ruderbänke – folgt mir.«
    Attilius kletterte hinter ihm hinaus in den Wirbel aus fliegendem Bimsstein. Es herrschte eine seltsame, beinahe bräunliche Beleuchtung, wie während eines Sandsturms, und als er sich aufrichtete, ergriff Torquatus seinen Arm und zeigte auf etwas. Es dauerte einen Moment, bis Attilius begriff, was er meinte, aber dann entdeckte er es auch: Durch die Düsternis glomm schwach eine Reihe flackernder Lichter. Pompeji, dachte er – Corelia!
    »Wir sind unter dem Schlimmsten hindurchgesegelt und liegen jetzt dicht vor der Küste«, rief Torquatus. »Nur die Götter wissen, an welcher Stelle! Wir werden versuchen, die Minerva auf Grund zu setzen. Hilf mir am Ruder!« Er drehte sich um und stieß den ihm am nächsten stehenden Mann in Richtung Luke. »Steig wieder hinunter und sag den anderen, sie sollen rudern – um ihr Leben rudern! Ihr anderen – hisst das Segel!«
    Er lief an der Seite des Schiffes entlang zum Heck, und Attilius folgte ihm mit gesenktem Kopf; seine Füße versanken in der schweren Schicht aus weißem Bimsstein, der das Deck wie Schnee bedeckte. Das Schiff lag so tief im Wasser, dass er das Gefühl hatte, auf den Gesteinsteppich hinuntertreten und ans Ufer steigen zu können. Er stieg aufs Achterdeck und ergriff zusammen mit Torquatus das schwere Ruder, mit dem die Liburne gesteuert wurde. Aber selbst die beiden Männer schafften es nicht, das Ruder in der schwimmenden Masse zu bewegen.
    Undeutlich sah er, wie die Umrisse des Segels vor ihnen erschienen. Er hörte das Knallen, als es sich mit Wind füllte, und gleichzeitig nahm er eine schwache Bewegung an den Ruderbänken wahr. Das Steuerruder bebte leicht unter seinen Händen. Torquatus schob, und er zog, versuchte mit den Füßen in dem lockeren Gestein einen festen Halt zu finden, und allmählich spürten sie, wie sich der Holzschaft zu bewegen begann. Eine Weile schien die Liburne mit ihrer Schlagseite regungslos im Wasser zu liegen, dann trieb eine Windbö sie vorwärts. Er hörte, wie unten wieder die Trommel geschlagen wurde, die Ruder zu ihrem stetigen Rhythmus zurückkehrten, und sah, dass die Küste in der Düsternis vor ihnen Gestalt anzunehmen begann – ein Wellenbrecher, ein Sandstrand, eine Reihe von Villen mit Fackeln auf den Terrassen, Leute, die sich am Rande der See, wo die Wellen gegen das Ufer brandeten, entlangbewegten, die Boote aus dem seichten Wasser hoben und aufs Trockene zogen. Enttäuscht begriff er: Um welchen Ort es sich auch handelte – es war nicht Pompeji.
    Plötzlich ruckte das Steuerruder und bewegte sich so frei, dass er zuerst dachte, es wäre gebrochen, und Torquatus schwang es herum und steuerte das Schiff auf

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