Pompeji
Bäche rannen an der Masse herunter, als wäre sie in Schweiß ausgebrochen. »Siehst du, was ich meine?« Brebix tippte mit der Hacke darauf. »Wenn dieses Zeug nachgibt, ertrinken wir wie Ratten in einem Abwasserkanal.«
Hinter Attilius war es totenstill geworden. Die Sklaven hatten alle die Arbeit unterbrochen und hörten ihnen zu. Attilius stellte fest, dass sie bereits vier oder fünf Ellen Trümmer weggeräumt hatten. Was also war noch übrig, um dem Druck der Augusta standzuhalten? Ein paar Fuß? Er wollte nicht aufgeben. Aber er wollte auch nicht, dass sie alle ertranken.
»Also gut«, sagte er widerstrebend. »Verlasst den Tunnel.«
Das brauchte er ihnen nicht zweimal zu sagen. Sie lehnten die Fackeln an die Wände, ließen ihr Werkzeug und die Körbe fallen und reihten sich am Tau auf. Kaum war ein Mann hinaufgeklettert und seine Füße im Schacht verschwunden, hatte bereits der nächste das Tau in den Händen und hievte sich in Sicherheit. Attilius folgte Brebix, und als sie das Einstiegsloch erreicht hatten, waren sie die Einzigen, die sich noch unter der Erde befanden.
Brebix bot ihm das Tau an. Attilius lehnte es ab. »Nein. Du gehst. Ich bleibe hier und sehe zu, was wir sonst tun können.« Ihm wurde bewusst, dass Brebix ihn anstarrte, als hätte er den Verstand verloren. »Ich binde mir zur Sicherheit das Tau um. Wenn du oben bist, mach es von dem Karren los und lass es so locker, dass ich das Ende des Tunnels erreichen kann. Und halte es fest.«
Brebix zuckte die Achseln. »Deine Entscheidung.«
Als er sich umdrehte, um hinaufzuklettern, ergriff Attilius seinen Arm. »Hast du genügend Kraft, um mich zu halten, Brebix?«
Der Gladiator grinste. »Dich – und deine Mutter obendrein!«
Trotz seines Gewichts kletterte Brebix so behände wie ein Affe an dem Tau empor, und dann war Attilius allein. Als er sich das Tau zum zweiten Mal um die Taille knotete, dachte er, dass er vielleicht tatsächlich den Verstand verloren hatte, aber es schien keine Alternative zu geben, denn bevor sich der Tunnel entleert hatte, konnten sie ihn nicht reparieren, und er hatte nicht die Zeit zu warten, bis das ganze Wasser durch die Blockade gesickert war. Er ruckte an dem Tau. »Alles in Ordnung, Brebix?«
»Fertig.«
Er griff nach seiner Fackel und machte sich auf den Rückweg durch den Tunnel. Das Wasser reichte ihm jetzt bis über die Knöchel, und als er über das liegen gelassene Werkzeug und die Körbe hinwegstieg, umspülte es seine Schienbeine. Er bewegte sich langsam, damit Brebix genügend Tau nachgeben konnte, und als er die Trümmerstelle erreicht hatte, schwitzte er, woran nicht nur die Hitze, sondern auch seine Nerven schuld waren. Der Druck der Augusta war hier deutlich zu spüren. Er nahm die Fackel in die linke Hand und fing an, mit der rechten am freiliegenden Ende eines Ziegelsteins zu zerren, der sich auf gleicher Höhe wie sein Gesicht befand, bewegte ihn auf und nieder und von einer Seite zur anderen. Was er brauchte, war eine kleine Öffnung: eine kontrollierte Minderung des Drucks relativ weit oben. Anfangs rührte sich der Ziegelstein nicht von der Stelle. Dann quoll Wasser um ihn hervor, und plötzlich schoss er Attilius durch die Finger, angetrieben von einem Wasserschwall, der ihn so dicht an seinem Kopf vorbeischießen ließ, dass er sein Ohr streifte.
Er stieß einen Schrei aus und sprang zurück, als sich die Umgebung des Lecks wölbte und dann zerbrach, in dem sie in Form eines V nach außen und unten zerkrümelte – das alles in einem Augenblick und dennoch so langsam, dass er jedes Stadium des Zusammenbruchs registrieren konnte –, bevor eine Wasserwand über ihn hereinbrach, ihn rückwärts schleuderte, ihm die Fackel aus der Hand riss und ihn in Dunkelheit stürzte. Auf dem Rücken und mit dem Kopf voran schoss er unter Wasser dahin, wurde durch den Tunnel gespült; immer wieder versuchte er, auf dem glatten Verputz der Matrix irgendeinen Halt zu finden, aber da war nichts, das er greifen konnte. Die Strömung brachte ihn zum Rollen, drehte ihn auf den Bauch, und er spürte einen scharfen Schmerz, als sich das Tau unter seinen Rippen straffte, ihn zusammenklappte und nach oben riss, sodass sein Rücken an der Decke entlangschrammte. Einen Augenblick glaubte er, er sei gerettet, aber das Tau wurde wieder schlaff, und er stürzte erneut hinab auf den Boden des Tunnels. Weiter und weiter trug ihn die Strömung, wie ein Blatt in einer Gosse, immer weiter in die Dunkelheit
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