Pompeji
mehr. Als es wieder auf allen vieren stand und im Galopp losstürmte, konnte sie sich nur retten, indem sie die Finger in seine dichte Mähne krallte und sich eisern festhielt.
Das Pferd musste ein oder zwei Meilen galoppiert sein, und als es endlich langsamer wurde und sie imstande war, den Kopf zu heben, stellte sie fest, dass sie die Straße verlassen hatte und sich auf freiem Gelände befand. Irgendwo in der Nähe plätscherte Wasser, und das Pferd musste es auch gehört oder gerochen haben, denn es machte eine Wendung und bewegte sich darauf zu. Ihr Gesicht war an den Hals des Pferdes gepresst und ihre Augen geschlossen gewesen, aber jetzt, wo sie den Kopf hob, konnte sie weiße Steinhaufen sehen und eine niedrige Ziegelsteinmauer, die einen gewaltigen Brunnen zu umschließen schien. Das Pferd senkte den Kopf, um zu trinken. Sie flüsterte mit ihm und stieg, um es nicht zu erschrecken, ganz sanft ab. Sie zitterte am ganzen Körper.
Ihre Füße versanken in Schlamm. In der Ferne sah sie das Flackern eines Lagerfeuers.
Als Erstes nahm sich Attilius vor, die Trümmer zu beseitigen; keine leichte Aufgabe. Der Tunnel war so eng, dass jeweils nur ein Mann in ihm arbeiten und eine Spitzhacke und eine Schaufel schwingen konnte, und sobald ein Korb gefüllt war, musste er von Hand zu Hand weitergereicht werden, bis er auf dem Grund des Inspektionsschachtes angelangt, mit einem Tau hinaufgezogen, entleert und wieder zurückbefördert worden war; inzwischen war ein zweiter Korb beladen und auf den Weg gebracht worden.
Attilius hatte, wie es seine Art war, als Erster zur Spitzhacke gegriffen. Er riss einen Streifen von seiner Tunika ab und band ihn sich um Mund und Nase, um den Schwefelgestank zu dämpfen. Das Einhacken auf Ziegelsteine und Erde und das Einschaufeln in den Korb waren schon schlimm genug. Aber der Versuch, in dem engen Raum die Hacke zu schwingen und trotzdem die Kraft zu finden, den Zement in handliche Klumpen zu zerschlagen, glich einer Herkulesarbeit. Einige der Brocken waren so groß, dass zwei Männer sie tragen mussten, und es dauerte nicht lange, bis er sich an den Tunnelwänden die Ellbogen aufgescheuert hatte. Und was die Hitze anging, aufgestaut von der drückenden Nachtluft, den schwitzenden Leibern und den brennenden Fackeln – sie war schlimmer als die, die in den Goldminen von Hispania herrschten musste. Dennoch hatte Attilius den Eindruck, dass sie vorankamen, und das verlieh ihm zusätzliche Kraft. Er hatte die Stelle gefunden, an der die Augusta blockiert war. All seine Probleme würden gelöst sein, wenn es ihnen gelang, diese paar Ellen zu räumen.
Nach einer Weile klopfte ihm Brebix auf die Schulter und bot an, ihn abzulösen. Attilius übergab ihm dankbar die Hacke und schaute voller Ehrfurcht zu, wie der große Mann, obwohl seine Masse den Tunnel vollständig ausfüllte, die Hacke so mühelos schwang, als wäre sie ein Spielzeug. Der Wasserbaumeister zwängte sich an seinen Arbeitern vorbei, und die anderen wichen zurück, um ihm Platz zu machen. Sie arbeiteten jetzt als Mannschaft, wie ein einziger Körper – auch das die römische Art. Und ob es nun die belebende Wirkung ihres Bades war oder die Erleichterung darüber, dass sie ihre Gedanken auf eine bestimmte Aufgabe richten konnten – auf jeden Fall waren die Männer wie verwandelt. Er kam zu dem Schluss, dass sie vielleicht doch keine so schlechten Kerle waren. Man konnte über Ampliatus sagen, was man wollte; zumindest wusste er, wie man einen Trupp Sklaven ausbildet. Er nahm dem Mann neben ihm – es war derjenige, dem er den Weinkrug aus den Händen geschlagen hatte – den schweren Korb ab und schleppte ihn zum nächsten Mann in der Kette.
Allmählich verlor er jedes Zeitgefühl, und seine Welt verengte sich auf die paar Fuß Tunnel, die Schmerzen in seinen Armen und in seinem Rücken, die Schnitte in seinen Händen von scharfen Trümmerbrocken, das Brennen seiner aufgeschürften Ellbogen, die erstickende Hitze. Er war so versunken, dass er zuerst nicht hörte, dass Brebix ihm etwas zurief.
»Aquarius! Aquarius!«
»Ja?« Dicht an die Tunnelwand gedrückt, zwängte er sich an den Männern vorbei, wobei er zum ersten Mal wahrnahm, dass ihm das Wasser bis zu den Knöcheln reichte. »Was ist?«
»Sieh selbst!« Attilius nahm den Mann hinter ihm eine Fackel ab und hielt sie dicht an die Trümmermasse. Auf den ersten Blick sah sie solide genug aus, aber dann sah er, dass überall Wasser hindurchsickerte. Winzige
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