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Pompeji

Pompeji

Titel: Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Prophezeiung von Biria Onomastia, der Sibylle von Pompeji, bekannt zu machen, die er in weiser Voraussicht früher im Sommer befragt hatte. Sie lebte in einem Haus in der Nähe des Amphitheaters, und nachts nahm sie zwischen Rauchschwaden Verbindung mit dem alten Gott Sabazius auf, dem sie auf einem Altar mit zwei magischen Bronzehänden Schlangen opferte – eine widerliche Prozedur. Die Zeremonie hatte ihn schaudern lassen, aber die Sibylle hatte Pompeji eine erstaunliche Zukunft vorhergesagt, und es würde nützlich sein, das publik werden zu lassen. Er beschloss, die Magistrate am Morgen zu sich zu bestellen. Doch fürs Erste, während sich die anderen noch auf dem Forum befanden, hatte er Wichtigeres vor.
    Sein Glied begann sich bereits zu versteifen, als er die Treppe zu den Privatgemächern der Popidii emporstieg, ein Weg, den er vor langer Zeit so oft zurückgelegt hatte, als der alte Herr ihn wie einen Hund gebraucht hatte. Welche geheimen, hektischen Paarungen hatten diese Wände im Laufe der Jahre mit angesehen, welche gestammelten Liebesworte mit angehört, als Ampliatus sich den bohrenden Fingern unterworfen und sich dem Herrn des Haushalts dargeboten hatte. Wesentlich jünger als Celsinus war er damals gewesen, sogar noch jünger als Corelia – wer war sie also, um sich über eine Ehe ohne Liebe zu beklagen? Allerdings hatte der Herr immer geflüstert, dass er ihn liebte, und vielleicht hatte er das tatsächlich getan – schließlich hatte er ihm in seinem Testament die Freiheit geschenkt. Alles, was Ampliatus geworden war, hatte seinen Ursprung in dem heißen Samen, der hier oben vergossen worden war. Das hatte er nie vergessen.
    Die Schlafzimmertür war unverschlossen, und er trat ein, ohne anzuklopfen. Auf dem Ankleidetisch brannte eine schwach leuchtende Öllampe. Durch die offenen Läden fiel das Licht des Mondes herein, und in seinem sanften Schein sah er, dass Taedia Secunda flach ausgestreckt auf ihrem Bett lag, wie ein Leichnam auf seiner Bahre. Sie drehte den Kopf, als er erschien. Sie war nackt und mindestens sechzig Jahre alt. Ihre Perücke war über einen Holzkopf neben ihrem Bett gestülpt, einen blicklosen Beobachter dessen, was kommen würde. In früheren Zeiten war sie es gewesen, die die Befehle erteilt hatte – hier, dort, dort –, aber jetzt waren die Rollen vertauscht, und er war sich nicht sicher, ob sie es so nicht noch mehr genoss, obwohl sie nie ein Wort von sich gab. Sie drehte sich stumm um, erhob sich auf Hände und Knie und bot ihm ihr knochiges, im Mondlicht bläulich schimmerndes Hinterteil dar, reglos wartend, während ihr einstiger Sklave – jetzt ihr Herr – ihr Bett bestieg.
     
    Nachdem das Tau nachgegeben hatte, gelang es Attilius zweimal, seine Knie und Ellbogen gegen die engen Wände des Tunnels zu stemmen, um sich zwischen ihnen zu verkeilen, und zweimal schaffte er es auch, bis er vom Druck des Wassers wieder losgerissen und weitergetrieben wurde. Seine Gliedmaßen wurden schwächer, seine Lungen brannten, und er hatte das Gefühl, nur noch eine Chance zu haben. Er versuchte es noch einmal, und dieses Mal saß er fest, ausgebreitet wie ein Seestern. Sein Kopf durchbrach die Wasseroberfläche, und er würgte und spuckte, rang keuchend um Atem.
    In der Dunkelheit hatte er keine Ahnung, wo er war oder wie weit er davongetragen worden war. Er konnte nichts hören und sehen und nichts fühlen außer dem harten Zement unter seinen Händen und Knien und dem Druck des Wassers, das ihm bis zum Hals ging und gegen seinen Körper hämmerte. Er hatte keine Ahnung, wie lange er sich anklammerte, aber allmählich wurde ihm bewusst, dass der Druck nachließ und das Wasser fiel. Als er die Luft auf seinen Schultern fühlte, wusste er, dass das Schlimmste vorüber war. Wenig später ragte auch seine Brust aus dem Wasser heraus. Vorsichtig ließ er die Wände los und versuchte, sich hinzustellen. Er schwankte in der langsamen Strömung vor und zurück, und dann stand er aufrecht, wie ein Baum, der eine plötzliche Überschwemmung überlebt hat.
    Sein Verstand begann wieder zu arbeiten. Das aufgestaute Wasser floss ab, und weil die Schleusen in Abellinum vor zwölf Stunden geschlossen worden waren, war nichts übrig, um es wieder aufzufüllen. Was noch vorhanden war, hatte das kaum wahrnehmbare Gefälle des Aquädukts gezähmt und verringert. Er spürte, wie etwas an seiner Leibesmitte zupfte. Das Tau schwamm hinter ihm. Er tastete in der Dunkelheit herum, zog es ein und wand

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