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Pompeji

Pompeji

Titel: Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Körben in den Tunnel hinunter zu befördern und als neues Fundament zu verstreichen. Er half Brebix beim Zertrümmern des Gerölls, das sie zuvor herausgeholt hatten, und sie betteten mehrere Schichten in das Fundament ein, um es stärker zu machen. Er war beim Zuschneiden der Planken dabei, die sie zum Verschalen der Wände und zum Kriechen über den frischen Zement brauchten. Er reichte Musa Ziegelsteine zu, der sie verlegte. Schließlich stand er beim Auftragen des Verputzes Schulter an Schulter mit Corvinus. (Und das war das zweite Geheimnis eines perfekten Zements: so hart wie möglich darauf einzuschlagen, »ihn zu hacken, als hackte man Holz«, damit auch das letzte Wasser- oder Luftbläschen herausgetrieben wurde, das sich später als Schwachstelle erweisen konnte.)
    Als sich der Himmel über dem Einstiegsloch grau zu färben begann, wusste er, dass sie vermutlich genug getan hatten, um die Augusta wieder funktionsfähig zu machen. Attilius würde noch einmal herkommen müssen, um sie ordentlich zu reparieren. Aber mit ein wenig Glück würde sie fürs Erste halten. Er ging mit seiner Fackel bis zum Ende des geflickten Abschnitts und inspizierte ihn Stück für Stück. Der wasserdichte Verputz würde auch dann abbinden, wenn das Wasser wieder floss. Am Ende des ersten Tages würde er hart sein, am Ende des dritten stärker als Fels.
    Wenn stärker als Fels noch irgendwelche Bedeutung hat. Aber er behielt den Gedanken für sich.
    »Zement, der unter Wasser trocknet«, sagte er zu Musa. »Das ist wirklich ein Wunder.«
    Er ließ die anderen vor ihm aussteigen. Der anbrechende Tag zeigte ihnen, dass sie ihr Lager auf unebenem, mit Steinen übersätem Weideland aufgeschlagen hatten. Im Osten sahen sie die steilen Hänge des Apenninus, und eine Stadt – vermutlich Nola – wurde, fünf oder sechs Meilen entfernt, im Licht der Dämmerung gerade erkennbar. Aber der eigentliche Schock war, wie nahe sie sich beim Vesuv befanden. Er lag westlich von ihnen, und nur ein paar hundert Schritte vom Aquädukt entfernt begann das Gelände anzusteigen, und zwar bis zu einem so hoch gelegenen Punkt, dass Attilius den Kopf in den Nacken legen musste, um den Gipfel sehen zu können. Was jetzt jedoch, da sich die Schatten hoben, das Beunruhigendste war, waren die grauweißen Streifen, die auf einer seiner Flanken sichtbar wurden. Sie zeichneten sich deutlich gegen den umliegenden Wald ab, geformt wie die Spitzen von Pfeilen, die auf den Gipfel zeigten. Wenn nicht August gewesen wäre, hätte er schwören können, dass sie aus Schnee bestanden. Auch die anderen hatten sie gesehen.
    »Eis?«, fragte Brebix, auf den Berg starrend. »Eis im August?«
    »Hast du so etwas schon einmal gesehen, Aquarius?«, fragte Musa.
    Attilius schüttelte den Kopf. Er dachte an die Beschreibung in dem griechischen Papyrus: »Die mit der Asche des Ätna vermischte Erde macht das Land besonders für Wein geeignet.«
    »Könnte es«, sagte er zögernd, fast zu sich selbst, »könnte es vielleicht Asche sein?«
    »Aber wie kann es Asche ohne Feuer geben?«, wandte Musa ein. »Und wenn es im Dunkeln ein Feuer dieser Größe gegeben hätte, dann hätten wir es doch gesehen.«
    »Das stimmt.« Attilius betrachtete ihre erschöpften, verängstigten Gesichter. Überall lagen die Beweise ihrer Arbeit herum – Geröllhaufen, leere Amphoren, ausgebrannte Fackeln, geschwärzte Stellen, wo man die Nachtfeuer hatte ausbrennen lassen. Der See war verschwunden und mit ihm, wie er feststellte, die Vögel. Er hatte ihr Davonfliegen nicht gehört. Über der dem Vesuv gegenüberliegenden Bergkante ging die Sonne auf. In der Luft lag eine seltsame Stille. Ihm wurde bewusst, dass kein Vogel sang. Kein morgendlicher Chor. Das würde die Auguren in hektische Betriebsamkeit versetzen. »Und du bist sicher, dass das gestern noch nicht da war, als du mit Corax angekommen bist?«
    »Ja.« Musa konnte den Blick nicht vom Vesuv abwenden. Er wischte sich die Hände nervös an seiner schmutzigen Tunika ab. »Es muss letzte Nacht passiert sein. Erinnerst du dich an den Krach, der die Erde erbeben ließ? Das muss es gewesen sein. Der Berg ist geborsten und hat es ausgespien.«
    Es gab ein allgemeines Murren des Unbehagens, und einer der Männer rief: »Das können nur die Riesen gewesen sein!«
    Attilius wischte sich den Schweiß aus den Augen. Die Luft fühlte sich schon jetzt heiß an. Ein weiterer sengender Tag stand bevor. Und da war noch etwas mehr als Hitze – eine Anspannung

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