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Pompeji

Pompeji

Titel: Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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wie ein zu straff gespanntes Trommelfell. Spielten ihm seine Sinne einen Streich oder schien die Erde tatsächlich leicht zu vibrieren? Ein Prickeln von Angst ließ die Haare an seinem Hinterkopf hochstehen. Ätna und Vesuv – er fing an, dieselbe entsetzliche Verbindung zu sehen, die auch Exomnius erkannt haben musste.
    »Also«, sagte er munter, »sehen wir zu, dass wir von hier fortkommen.« Er machte sich auf den Weg zu Corelia. »Holt alles aus dem Tunnel heraus«, rief er über seine Schulter. »Und passt auf, dass ihr nichts vergesst! Fürs Erste sind wir fertig.«
     
    Sie schlief noch, zumindest dachte er, sie täte es. Neben dem weiter entfernt stehenden der beiden Karren lag sie auf der Seite, mit angezogenen Beinen, hatte die Hände vor die Augen gehoben und zu Fäusten geballt. Er blickte einen Moment auf sie herab und staunte über die Unvereinbarkeit ihrer Schönheit mit diesem trostlosen Ort – Egeria zwischen den schnöden Gerätschaften seines Berufs.
    »Ich bin schon seit Stunden wach.« Sie drehte sich auf den Rücken und öffnete die Augen. »Seid ihr fertig?«
    »Fertig genug.« Er kniete nieder und begann, die Papyri einzusammeln. »Die Männer kehren nach Pompeji zurück. Ich möchte, dass du ihnen vorausreitest. Ich werde dir einen Begleiter mitgeben.«
    Sie setzte sich rasch auf. »Nein!«
    Er hatte gewusst, wie sie reagieren würde. Er hatte die halbe Nacht darüber nachgedacht. Aber welche andere Wahl hatte er? Er sprach schnell. »Du musst diese Dokumente dorthin zurückbringen, wo du sie hergeholt hast. Wenn du sofort aufbrichst, müsstest du lange vor Mittag wieder in Pompeji sein. Mit etwas Glück braucht er nie zu erfahren, dass du sie genommen oder zu mir gebrachst hast.«
    »Aber sie beweisen seine Korruption …«
    »Nein.« Er hob die Hand, um Corelia zum Schweigen zu bringen. »Nein, das tun sie nicht. Für sich allein genommen haben sie keine Bedeutung. Ein Beweis wäre eine Aussage von Exomnius vor einem Magistrat. Aber Exomnius ist verschwunden. Ich habe weder das Geld, das dein Vater ihm gezahlt hat, noch den geringsten Hinweis darauf, dass er etwas davon ausgegeben hat. Er war sehr vorsichtig. Was die Welt angeht, war Exomnius so ehrlich wie Cato. Außerdem ist das nicht so wichtig. Die Hauptsache ist, dass du von hier fortkommst. Irgendetwas passiert mit dem Berg. Ich weiß nicht, was es ist. Exomnius hat es schon vor Wochen vermutet. Es ist, als …« Er brach ab. Er wusste nicht, wie er es in Worte fassen sollte. »Es ist, als – als würde er lebendig. In Pompeji wirst du sicherer sein.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Und was wirst du tun?«
    »Nach Misenum zurückkehren. Dem Befehlshaber Bericht erstatten. Wenn irgendjemand einen Sinn in das hineinbringen kann, was hier passiert, dann er.«
    »Sobald du allein bist, werden sie versuchen, dich zu töten.«
    »Das glaube ich nicht. Wenn sie das wollten, hätten sie letzte Nacht reichlich Gelegenheit dazu gehabt. Ich werde sogar sicherer sein. Ich habe ein Pferd. Sie sind zu Fuß. Sie könnten mich nicht einholen, selbst wenn sie es versuchen würden.«
    »Ich habe auch ein Pferd. Nimm mich mit.«
    »Das ist unmöglich.«
    »Warum? Ich kann reiten.«
    Einen Augenblick lang stand ihm das Bild vor Augen, wie sie zusammen in Misenum ankamen. Die Tochter des Besitzers der Villa Hortensia, die die schäbige Unterkunft bei der Piscina mirabilis mit ihm teilte, und die er versteckte, wenn Ampliatus kam, um sie zu suchen. Wie lange würden sie damit durchkommen? Einen Tag oder zwei. Und was dann? Die Gesetze der Gesellschaft waren so unbeugsam wie die Gesetze der Wasserbaukunst.
    »Hör mir zu, Corelia.« Er ergriff ihre Hände. »Wenn ich irgendetwas tun könnte, um dir zu helfen, zum Lohn für das, was du für mich getan hast, würde ich es tun. Aber es wäre Wahnsinn, sich deinem Vater zu widersetzen.«
    »Du verstehst nicht.« Ihr Griff um seine Finger war verzweifelt. »Ich kann nicht zurückkehren. Zwinge mich nicht dazu. Ich kann es nicht ertragen, ihn wiederzusehen oder diesen Mann zu heiraten …«
    »Aber du kennst die Gesetze. Wenn es um eine Eheschließung geht, bist du ebenso das Eigentum deines Vaters wie diese Sklaven da drüben.« Was konnte er sagen? Er verabscheute seine Worte, noch während er sie aussprach. »Vielleicht wird es gar nicht so schlimm, wie du befürchtest.« Sie stöhnte, entzog ihm ihre Hände und schlug sie vors Gesicht. Er redete hilflos weiter. »Wir können unserem Schicksal nicht

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