Ponyhof Kleines Hufeisen - 05 - Stella, unser Pferdekind
er den Wallach so lenken? Beim genauen Hinsehen entdeckte Sabine einen schmalen, geflochtenen Lederreifen, den Stefan nun an Gustavs Hals leicht nach oben schob, um ihn anzuhalten.
„Du, das gibt es doch gar nicht“, flüsterte Katrin. „Er reitet nur mit einem Halsring!“
„Ich hab das noch nie gesehen! Wo hat Stefan das nur gelernt?“
Hinter Sabine sagte Michaelas Mutter besorgt: „Der Junge hat so doch gar keine Gewalt über sein Pferd. Wenn es mit ihm durchgeht, ist er völlig hilflos!“
Dann aber sagte niemand mehr etwas. Alle verfolgten wie gebannt Stefans Vorführung. Er ritt Gustav im Trab in Achten um die Tonnen, man sah kaum, daß er den Halsring sachte an der Haiseite anlegte. Dann ging es im Schritt auf das Brett zu, das sich als eine Wippe entpuppte. Ohne zu zögern ging Gustav darauf, hielt in der Mitte an und schaukelte ein paarmal geschickt hin und her. Das Publikum applaudierte spontan. Das war wirklich toll!
Stefan ritt über die knisternde Plastikplane, galoppierte an und hielt geradewegs auf das Hindernis zu. Gustav setzte zum Sprung an, und während der große Wallach über die Stangen flog, streckte Stefan beide Arme zur Seite.
„Ohne Sattel und freihändig!“ Sabine war tief beeindruckt. „Das macht ihm so leicht keiner nach! So etwas können wir alle nicht!“
„Er muß Tag und Nacht geprobt haben“, meinte Katrin. „Auf eine so abenteuerliche Idee wäre ich nicht im Traum gekommen! Und Gustav scheint das Ganze richtig Spaß zu machen! Schau nur, wie eifrig er ist!“
Das fand Sabine auch. Der braune Wallach spielte aufmerksam mit den Ohren, er ging schwungvoll und gelöst mit glänzenden Augen vorwärts.
Stefan beendete sein Programm mit ein paar Dressurlektionen. Er richtete Gustav einige Schritte rückwärts, ritt auf dem Zirkel, machte kleine Volten und zeigte als krönenden Abschluß ein einwandfreies Schulterherein. Dann hielt er in der Mittellinie an und grüßte.
Als der Applaus verebbte, stand Cornelia auf. „Mit dieser Vorstellung wollten wir zeigen, daß man ein Pferd auch ganz ohne Zwang reiten kann. Wenn man eine gute Basis des Vertrauens mit seinem Pferd hat und das Tier gern und freiwillig mitarbeitet, braucht man, wie Sie hier sehen, weder ein Gebiß noch irgendwelche anderen Hilfsmittel. Gustav und Stefan sind Partner, sie sind Freunde, die sich verstehen und mögen. Gustav ist ein Pferd, das gern und ohne Zwang mit seinem Reiter zusammenarbeitet!“ Cornelia wies noch darauf hin, daß das Reiten mit dem Halsring gründlich vorbereitet werden muß und in erster Linie auf dem Reitplatz oder in der Halle Anwendung findet.
Noch einmal klatschten alle begeistert. Stefan strahlte. Immer wieder klopfte er Gustavs Hals. Dann ritt er stolz zur Tür hinaus.
Gerade wollte Sabine aufstehen, um zu Stefan zu laufen, da hörte sie Cornelia sagen: „Jetzt gibt Ihnen unsere kleine Shetlandstute Fee eine ganz besondere Vorstellung!“
Also doch! Cornelia hatte sich durchgesetzt!
Volker führte Fee in die Mitte der Bahn. Die kleine Stute war seidigglänzend geputzt, die dichte Mähne fiel weich über ihren Hals, die großen dunklen Augen funkelten. Wußte sie, daß alle Aufmerksamkeit auf sie gerichtet war?
Volker nahm ihr das Halfter ab und ging aus der Halle.
„Ramiz! Wo bleibt die Musik?“ rief Cornelia.
Ramiz hatte einen feuerroten Kopf. Nervös hantierte er mit einer Kassette.
Fee sah auf die Zuschauer, dann senkte sie den Kopf fast bis zum Boden und ging mit federnden Tritten in einem kleinen Kreis.
„Ach du lieber Himmel!“ stöhnte Katrin. „Schau dir das an! Gleich wälzt sie sich!“
Und tatsächlich! Fee ließ sich mit wohligem Schnauben zu Boden sinken und wälzte sich ausgiebig. Ihre Beinchen zappelten in der Luft, sie verdrehte vor Wonne die Augen und prustete zufrieden.
Die Zuschauer glaubten offenbar, daß man Fee diesen Trick extra beigebracht hatte, sie lachten beifällig.
Endlich hatte Ramiz die richtige Kassette gefunden: ein schwungvoller Wiener Walzer erklang.
Sowie Fee die ersten Töne hörte, sprang sie auf und schüttelte sich lange. Trotzdem war sie noch über und über mit Sägemehl bedeckt. Nun nickte sie leicht mit dem Kopf im Walzertakt und begann, sich mit zierlichen Schritten um sich selbst zu drehen.
Sabine war hingerissen. Das hatte wirklich nur wenig mit Zwang und Zirkus zu tun! Fee war nicht ausgebunden, sie trug nicht einmal ein Halfter. Sie tanzte ganz freiwillig, denn niemand trieb sie an. Sie hätte genausogut
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