Poor Economics
gibt es kaum geplanten Wohnungsbau für die Ärmsten. Deshalb müssen sich die Armen in der Stadt ein Fleckchen Erde unter den Nagel reißen, sich irgendwo hineinquetschen, oft im Morast oder gar auf einer Mülldeponie. Verglichen damit sind die Orte, wo die Ärmsten auf dem Land leben, grüner, luftiger und ruhiger, die Häuser sind größer, und die Kinder haben Platz zum Spielen. Das Leben ist vielleicht nicht so aufregend, aber wenn man auf dem Dorf aufgewachsen ist, hat man dort seine Freunde. Außerdem braucht ein Mann, der für ein paar Wochen oder auch ein paar Monate allein in die Stadt geht, nicht unbedingt eine feste Bleibe: Er kann unter einer Brücke schlafen, unter einer Plane oder in dem Laden oder auf der Baustelle, auf der er arbeitet. Damit
spart er das Geld für die Miete und kann öfter nach Hause fahren. Doch seiner Familie will er ein solches Leben nicht zumuten.
Und dann die Unsicherheit: Stellen Sie sich vor, Sie haben gerade Geld für eine Unterkunft in der Stadt ausgegeben und Ihre Familie zu sich geholt und dann verlieren Sie Ihren Job. Den Umzug können Sie sich sowieso eigentlich nur leisten, wenn Sie schon einen ordentlich bezahlten Job haben und sich etwas zusammensparen konnten. Aber was passiert, wenn Sie ernsthaft krank werden? Es stimmt zwar, dass die Gesundheitsversorgung in der Stadt besser ist, aber wer begleitet Sie im Zweifelsfall ins Krankenhaus oder kann Ihnen rasch etwas Geld leihen, wenn Sie es brauchen? Solange Ihre Familie noch im Dorf wohnt, können Sie sich auf Ihre Beziehungen dort verlassen, selbst wenn Sie in der Stadt krank werden und ins Krankenhaus müssen. Aber was passiert, wenn Sie alle Brücken abbrechen und dauerhaft wegziehen?
Das Abwandern ist viel einfacher, wenn Sie in der Stadt schon Leute kennen, bei denen Sie und Ihre Familie erst einmal wohnen können; sie helfen Ihnen, wenn jemand plötzlich krank wird oder bei der Arbeitssuche, vielleicht empfehlen sie Sie weiter oder sie stellen Sie selbst ein. Kaivan Munshi stellte fest, dass Leute aus mexikanischen Dörfern in Städte zogen, wo sich bereits andere aus ihrem Heimatort niedergelassen hatten, selbst wenn die ersten Migranten rein zufällig dort gelandet waren. 12 Selbstverständlich fällt es leichter wegzuziehen, wenn man schon einen festen Job oder eine andere sichere Einkommensquelle hat. Die Muslimfamilie aus Hyderabad hatte beides, die Pension von der Armee und den Job, den sie wiederum guten Beziehungen verdankte. Wenn in Südafrika die alten Eltern eine Rente bekommen, verlassen die tüchtigsten ihrer Kinder die Familie, gehen in die Stadt und lassen sich dort nieder. 13 Die Rente gibt ihnen offenbar Sicherheit und ermöglicht es ihnen, den Umzug zu bezahlen.
Wie können also mehr »bessere Jobs« geschaffen werden? Auf jeden Fall würde es helfen, den Weg in die Städte zu erleichtern; das heißt, auf politischer Ebene sind unbedingt Pläne zur
Flächennutzung und zur Schaffung preisgünstigen Wohnraums erforderlich. Auch funktionierende soziale Sicherungssysteme, staatliche Unterstützung wie private Absicherungen gleichermaßen, könnten die Migration erleichtern, indem sie die Abhängigkeit von sozialen Netzen verringern.
Da jedoch nicht jeder in der Lage sein wird, in die Stadt zu ziehen, ist es wichtig, nicht nur in den größten Städten mehr gute Jobs zu schaffen, sondern auch in den kleineren im ganzen Land. Das kann aber nur geschehen, wenn es in solchen Städten zuvor zu substanziellen Verbesserungen in der städtischen und industriellen Infrastruktur kommt. Auch die Gesetzgebung spielt eine wichtige Rolle: Das Arbeitsrecht soll Arbeitsplätze sicher machen, doch wenn es so streng ist, dass niemand mehr Leute einstellen will, ist es kontraproduktiv. Das größere Problem stellen aber vermutlich immer noch die Kredite dar, was mit der S-förmigen Kurve der Produktionstechniken zusammenhängt: Ein Geschäft aufzubauen, das viele Jobs schafft (und nicht nur einen für den Unternehmer allein), erfordert mehr Geld, als ein durchschnittlicher Geschäftsinhaber in einem Entwicklungsland bekommen kann, und wie wir in Kapitel 7 gesehen haben, ist es unklar, wie man den Finanzsektor dazu bewegen kann, diesen Menschen mehr Geld zu leihen.
Daraus folgt (auch wenn diese Idee unter Wirtschaftswissenschaftlern nicht besonders populär ist), dass es sinnvoll sein könnte, die Entstehung entsprechend großer Firmen staatlich zu fördern, etwa indem mittelgroße Unternehmen Kreditbürgschaften
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