Poor Economics
ihre Ansprüche herunterzuschrauben.« 3
Diese Bemerkung spiegelt sehr gut die institutionelle Sichtweise wider, die in der Entwicklungsökonomie heute weitverbreitet ist. Demnach fehlt es nicht an guten Vorschlägen, vordringlicher sei es jedoch, Ordnung in das politische System zu bringen. Wenn das politische System funktioniert, werden auch gute Entscheidungen getroffen. Und umgekehrt können ohne ein funktionierendes politisches System keine guten Entscheidungen getroffen und in entsprechende Maßnahmen umgesetzt werden, zumindest nicht auf jeder Ebene. Es ist absolut witzlos, sich zu überlegen, wie ein Dollar an einer Schule verwendet werden kann, wenn 87 Cent davon sowieso nicht ankommen. Daraus wird der Schluss gezogen, dass »große Fragen« »große Antworten« erfordern – große soziale Veränderungen, um nicht Revolutionen zu sagen, wie den Übergang zu einer echten Demokratie.
Das andere Extrem vertritt Jeffrey Sachs, für ihn stellt die Korruption (wie zu erwarten) eine Armutsfalle dar: Armut führt zu Korruption, und Korruption führt zu Armut. Er schlägt deshalb vor, diese Armutsfalle zu beseitigen, indem man sich darauf konzentriert, den Armen in den Entwicklungsländern zu etwas mehr Wohlstand zu verhelfen: Entwicklungshilfe sollte für definierte Ziele gewährt werden, die sich leicht überwachen lassen (zum Beispiel Malariabekämpfung, Optimierung der Nahrungsmittelproduktion, sauberes Trinkwasser, verbesserte Hygiene). Ein höherer Lebensstandard, so Sachs, würde Zivilgesellschaften
und Regierungen dazu bringen, sich an Recht und Gesetz zu halten. 4
Das setzt voraus, dass es gelingt, solche Programme in großem Rahmen in armen, korrupten Ländern einzuführen. Nach Angaben von Transparency International rangierte Uganda, was Korruption angeht, im Jahr 2010 auf Platz 127 von 178; damit lag es hinter Eritrea, aber vor Nigeria und gleichauf mit Nicaragua und Syrien. Kann man Fortschritte auf dem Gebiet der Bildung erwarten, solange Uganda das wesentlich größere Problem der Korruption nicht gelöst hat?
Die Untersuchung von Reinikka und Svensson hatte interessante Folgen. Als ihre Ergebnisse in Uganda bekannt wurden, lösten sie einen Sturm der Entrüstung aus, mit der Folge, dass das Finanzministerium begann, in den großen überregionalen Zeitungen (und ihren regionalsprachlichen Ausgaben) monatlich darüber zu informieren, wie viel Geld für die Schulen an die Distrikte angewiesen wurde. Als Reinikka und Svensson ihre Umfrage 2001 wiederholten, erfuhren sie, dass die Schulen im Schnitt 80 Prozent der Gelder erhielten, die ihnen zustanden. Ungefähr die Hälfte der Schulleiter, die weniger bekommen hatten, als sie sollten, hatte sich offiziell beschwert, und am Ende erhielten die meisten ihr Geld. Man hörte nichts von Repressionen gegen sie oder gegen die Zeitungen, die die Geschichte gebracht hatten. Wie es scheint, hatten die Distriktbeamten das Geld fröhlich in die eigene Tasche wandern lassen, solange keiner hinsah, aber sofort damit aufgehört, als es Ärger gab. Das »Umlenken« der staatlichen Zuschüsse war im großen Stil möglich, weil sich offenbar niemand darüber Gedanken gemacht hatte.
Das Beispiel der ugandischen Schulleiter macht Hoffnung: Wenn Dorfschuldirektoren in der Lage waren, der Korruption Einhalt zu gebieten, muss man vielleicht nicht warten, bis die Regierung gestürzt oder die Gesellschaft von Grund auf verändert wird, um die praktische Politik zu verbessern. Durch sorgfältiges Nachdenken und strenges Evaluieren können wir Verfahren entwickeln, mit denen sich Korruption und Ineffizienz in Schach
halten lassen. Wir »schrauben unsere Ansprüche nicht herunter«, nein, wir sind davon überzeugt, dass Fortschritt in kleinen Schritten stattfinden und die Summe all dieser kleinen Veränderungen am Ende in eine stille Revolution münden kann.
Politische Ökonomie
Korruption oder auch nur mangelnde Pflichterfüllung sind die Ursachen von Ineffektivität auf vielen Gebieten und mit weitreichenden Konsequenzen. Wenn Lehrer und Krankenschwestern nicht zur Arbeit erscheinen, können weder bildungs- noch gesundheitspolitische Maßnahmen umgesetzt werden. Wenn LKW-Fahrer ein kleines Schmiergeld zahlen und dann mit gewaltig überladenen Trucks durchs Land fahren dürfen, zermalmen sie Milliarden Dollar für Straßenbaumaßnahmen unter ihren Rädern.
Unser Kollege Daron Acemoglu und sein langjähriger Koautor James Robinson von der Harvard University gehören zu den
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