Poor Economics
Regierungen und Nichtregierungsorganisationen zu unterstützen und sie zu ermutigen, bei dieser neuen Art, Wirtschaftswissenschaft zu betreiben, zusammenzuarbeiten und ihre Erkenntnisse an die politischen Entscheidungsträger weiterzugeben. Die Resonanz war überwältigend. Bis zum Jahr 2010 hatten J-PAL-Wissenschaftler mehr als 240 Experimente in vierzig Ländern ganz oder teilweise abgeschlossen, und zahlreiche Organisationen, Forscher und politisch Verantwortliche zeigten sich von der Idee der randomisierten Studien begeistert.
Die Reaktionen auf die Arbeit des J-PAL lässt vermuten, dass viele Menschen unsere Grundauffassung teilen, dass sich selbst die größten Probleme der Welt erfolgreich anpacken lassen, wenn man in kleinen Schritten vorwärtsgeht, von denen jeder einzelne gut durchdacht, sorgfältig getestet und wohlüberlegt umgesetzt wird. Das klingt so selbstverständlich, aber – wie wir in diesem Buch noch häufig zeigen werden – so wird in der Regel nicht Politik gemacht. Sowohl die Praxis der Entwicklungshilfepolitik als auch die sie begleitenden Debatten scheinen grundsätzlich davon auszugehen, dass man dem Augenschein nicht trauen darf: Das
Offensichtliche beweisen zu wollen ist eine Spinnerei, bestenfalls ein Wunschtraum, schlimmstenfalls ein Ablenkungsmanöver. »Wir müssen mit unserer Arbeit vorankommen, während Sie sich mit dem Offensichtlichen beschäftigen«, hörten wir mehr als einmal von Betonköpfen im politischen Establishment und ihren oft noch verbohrteren Beratern, als wir anfingen, diesen Weg zu gehen. Manche sehen das sogar heute noch so. Zudem gibt es eine Menge Leute, die dieser unvernünftige Druck entmutigt. Wie wir glauben sie, dass es das Beste ist, ein tieferes Verständnis für die spezifischen Probleme der Armen zu entwickeln und dann die effektivsten Wege zu ihrer Lösung zu suchen. Manchmal kann es das Beste sein, nichts zu tun, aber niemand weiß vorher, wann das so ist, ebenso wie es keine Garantie dafür gibt, dass Geld immer zum gewünschten Ergebnis führt. Unser Wissen, das mit jeder Antwort wächst, und unser Bemühen, diesen Antworten auf den Grund zu gehen, sind die besten Voraussetzungen dafür, der Armut – eines Tages – ein Ende zu bereiten.
Dieses Buch baut auf diesem gesammelten Wissen auf. Viel von dem Material, über das wir sprechen werden, stammt aus randomisierten Studien, die wir und andere durchgeführt haben, aber wir werden auch andere Arten von Belegen anführen: qualitative und quantitative Beschreibungen, wie die Armen leben, Untersuchungen, wie bestimmte Institutionen funktionieren, sowie verschiedene Nachweise, welche Maßnahmen funktioniert haben und welche nicht. Auf der Website www.pooreconomics.com , die dieses Buch begleitet, finden Sie Links zu allen zitierten Studien, Bildleisten, die die jeweiligen Kapitel illustrieren, sowie Auszüge und grafische Darstellungen von Daten, die einzelne Aspekte der Lebenswelt derer widerspiegeln, die von weniger als 99 US-Cent pro Person und Tag leben. Wir werden in unserem Buch oft darauf zurückkommen.
Alle Studien, die wir hier anführen, verfügen über ein hohes Maß an wissenschaftlicher Beweiskraft. Sie sind bereit, die gewonnenen Daten ernst zu nehmen, und konzentrieren sich auf spezifische, konkrete Fragen, die für das Leben der Armen Relevanz
besitzen. Eine der Fragen, auf die wir mit dieser Herangehensweise eine Antwort finden wollen, ist die, wann und wo wir mit Armutsfallen rechnen müssen; in manchen Regionen gibt es sie, in anderen nicht. Um wirklich effektive Strategien zu entwickeln, müssen wir solche Fragen korrekt beantworten. In den folgenden Kapiteln werden wir auf viele Fälle stoßen, bei denen die falsche Strategie gewählt wurde – nicht aus böser Absicht oder aufgrund von Korruption, sondern schlicht weil die Entscheidungsträger das falsche Bild im Kopf hatten: Sie dachten, da sei irgendwo eine Armutsfalle, doch es gab keine, oder sie übersahen eine, die direkt vor ihrer Nase stand.
Die Botschaft dieses Buches geht allerdings weit über Armutsfallen hinaus. Wie wir noch sehen werden, scheitern viele Maßnahmen an den drei I – Ideology (zementierte Vorstellungen) , Ignorance (Unwissenheit) , Inertia (Trägheit) – auf Seiten der Experten, der Entwicklungshelfer und der Entscheidungsträger vor Ort. Folge ist, dass Entwicklungshilfe nicht so wirksam ist, wie sie sein könnte. Es ist möglich, die Welt zu verbessern, vielleicht nicht morgen, aber
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