Poor Economics
ist. Nein, sie geben dafür sogar eine ganze Menge Geld aus, aber eben für andere Dinge. Für Antibiotika, die nicht immer nötig sind, oder für eine Operation, wenn es schon zu spät ist. Warum ist das so?
Die Gesundheitsfalle
In einem indonesischen Dorf trafen wir Ibu Emptat, die Frau eines Korbflechters. Ein paar Jahre vor unserer Begegnung (im Sommer 2008) bekam ihr Mann Probleme mit den Augen und konnte nicht mehr arbeiten. Sie hatte keine andere Wahl, sie musste beim örtlichen Geldverleiher Darlehen aufnehmen: eines über 100000 Rupien (18,75 PPP-USD), um die Medizin zu bezahlen, die ihren Mann wieder arbeitsfähig machen sollte, und eines über 300 000 Rupien (56 PPP-USD), um damit in der Zeit, in der ihr Mann nicht arbeiten konnte, Essen für die Familie zu kaufen (drei ihrer sieben Kinder lebten zu der Zeit noch bei ihnen). Der Zinssatz betrug 10 Prozent der Darlehenssumme pro Monat. Irgendwann gerieten sie mit ihren Zinszahlungen in Verzug. Als wir uns trafen, war ihre Schuld auf eine Million Rupien (187 PPP-USD) angewachsen, und der Geldverleiher drohte, ihnen alles wegzunehmen, was sie besaßen. Als ob das nicht schlimm genug wäre, hatte man bei einem ihrer jüngeren Söhne vor kurzem schweres Asthma festgestellt. Doch weil die Familie schon bis zum Hals in Schulden steckte, konnte sie sich die Medikamente nicht leisten, die er brauchte. Bei unserem Besuch saß der Junge neben uns und hustete alle paar Minuten; er konnte
nicht mehr regelmäßig zur Schule gehen. Die Familie schien in der klassischen Armutsfalle zu sitzen: Wegen der Krankheit des Vaters wurde sie arm, deswegen konnte das Kind nicht behandelt werden, und weil das Kind zu krank war, um eine ordentliche Schulbildung zu genießen, war nun auch seine Zukunft von Armut bedroht.
Gesundheitsprobleme bringen eine Vielzahl von Folgeproblemen mit sich. Männer, die in ungesunder Umgebung leben, haben zum Beispiel viele Fehltage; Kinder sind oft krank und darum nicht gut in der Schule; Frauen bringen häufig kränkliche Babys zur Welt. Jede dieser momentan misslichen Lagen kann zu einem Weg in die Armut werden.
Das einzig Gute ist, dass in einer solchen Situation manchmal ein Schubs genügt – eine Generation, die es schafft, groß zu werden und in einer gesunden Umgebung zu arbeiten –, um der Falle zu entkommen. Das ist beispielsweise die Meinung von Jeffrey Sachs. In seinen Augen stecken ein Großteil der Ärmsten der Armen und zum Teil auch ganze Länder in einer gesundheitsbedingten Armutsfalle. Das erklärt er gerne am Beispiel der Malaria: Länder, in denen ein hoher Prozentsatz der Bevölkerung an Malaria erkrankt ist, sind sehr viel ärmer als andere (in Ländern wie Elfenbeinküste oder Sambia, wo 50 und mehr Prozent der Bevölkerung an Malaria erkrankt sind, liegt das Pro-Kopf-Einkommen durchschnittlich bei einem Drittel von dem in solchen Ländern, in denen Malaria fast ausgerottet ist). 4 Und weil sie so arm sind, ist es für sie umso schwerer, Maßnahmen gegen die Malaria zu ergreifen, weshalb sie arm bleiben. Doch aus denselben Gründen, so Sachs, müssten sich Investitionen im Gesundheitswesen, die auf die Bekämpfung der Malaria (wie zum Beispiel das Verteilen von Moskitonetzen) abzielen, in diesen Ländern enorm auszahlen: Die Menschen wären seltener krank und könnten härter arbeiten, und mit den Einkommensüberschüssen, die sie erzielten, wären die Kosten für die Maßnahmen leicht zu decken. Wenn wir die Begriffe der S-Kurve von Kapitel 1 auf dieses Beispiel anwenden, dann kann man sagen, dass die afrikanischen
Länder, in denen Malaria vorkommt, im linken Teil der Kurve feststecken; ihre Arbeitskraft ist wegen der Malaria so geschwächt und so niedrig, dass kein Geld für deren Bekämpfung übrig bleibt. Aber wenn ihnen jemand die Malariabekämpfung bezahlen würde, würden sie in den rechten Teil der Kurve und auf die Straße zum Wohlstand gelangen. Diese Argumentation ließe sich auch auf andere Krankheiten übertragen, die in armen Ländern vorkommen. So weit die optimistische Kernaussage von Jeffrey Sachs’ Buch Das Ende der Armut.
Skeptiker haben natürlich umgehend darauf hingewiesen, dass keineswegs klar ist, ob malariaverseuchte Länder wegen der Malaria arm sind, wie Sachs meint, oder ob ihr Scheitern im Kampf gegen die Malaria vielleicht als Indikator für eine unfähige Regierung gesehen werden kann. Träfe Letzteres zu, dann würde die Ausrottung der Malaria allein für die Armutsbekämpfung wenig
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