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Poor Economics

Poor Economics

Titel: Poor Economics Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abhijit Banerjee , Esther Duflo
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zur Entwurmung nicht geben, weil sie nicht daran denken, dass das auch anderen nützt, oder wegen des Problems der Zeitinkonsistenz, über das wir in Kapitel 3 gesprochen haben. Manche Eltern lassen ihre Kinder keine höhere Schule besuchen, weil sie nicht sicher sind, ob die Kinder sich dafür erkenntlich zeigen können, wenn sie selbst erwachsen sind. Firmeninhaber möchten lieber keine Abwasseraufbereitungsanlage betreiben, zum einen weil sie Geld kostet, zum anderen weil es ihnen egal ist, ob das Wasser verschmutzt ist oder nicht. An einer Ampel möchten wir eigentlich lieber gehen, als bei Rot stehen zu bleiben. Und so weiter. Die Folge ist, dass die Vertreter der Regierung (die Beamten, die Umweltschutzinspektoren, die Polizisten, die Ärzte) für die Leistung, die sie für uns erbringen, nicht sofort bezahlt werden  – wenn uns ein Polizist ein Strafmandat gibt, beschweren wir uns, aber wir bieten ihm keine Belohnung an, weil er gute Arbeit leistet und für Sicherheit auf den Straßen sorgt. Nehmen Sie die Besitzerin eines Krämerladens als Gegenbeispiel: Wenn sie uns Eier verkauft, erbringt sie eine Leistung für uns, und wenn wir sie für die Eier bezahlen, wissen wir, dass wir auch die Dienstleistung bezahlen, die sie für uns erbringt.
    Diese einfache Beobachtung hat zwei sehr wichtige Konsequenzen: Erstens ist es nicht leicht, die Leistung von Leuten einzuschätzen, die für den Staat arbeiten. Aus diesem Grund gibt es für Beamte (oder Polizisten, oder Richter) so viele Vorschriften, was sie tun sollen und was nicht. Zweitens ist die Versuchung, diese Regeln zu überschreiten, allgegenwärtig, sowohl für die Beamten als auch für uns, und das führt zu Korruption und Vernachlässigung der Pflichten.
    Zu Korruption und Nachlässigkeit kann es daher bei jeder Regierung kommen, die Wahrscheinlichkeit, dass sie auftreten, ist aber unter drei Umständen erhöht: Erstens, wenn die Regierung versucht, die Menschen zu etwas zu bewegen, dessen
Wert sie nicht schätzen, etwa beim Motorradfahren einen Helm zu tragen oder ein Kind impfen zu lassen. Zweitens, wenn das, was die Menschen bekommen, viel mehr wert ist, als sie dafür zahlen müssen; ein kostenloses Krankenhausbett für den, der es braucht, unabhängig vom Einkommen, lädt reiche Leute zur Bestechung ein, damit sie schneller an die Reihe kommen. Drittens, wenn Beamte unterbezahlt und überarbeitet sind, nicht ordentlich überwacht werden und sowieso nichts zu verlieren haben, falls man sie rauswirft.
    Vieles, worüber wir in den vorausgegangenen Kapiteln berichtet haben, spricht dafür, dass diese Probleme in armen Ländern schwerwiegender sind. Es mangelt an der richtigen Information, und anhaltendes Versagen des Staates führt dazu, dass die Menschen den Verordnungen ihrer Regierung weniger trauen. Extreme Armut macht es notwendig, viele Dienstleistungen deutlich unter dem Marktpreis anzubieten. Viele Menschen kennen ihre Rechte nicht genau, daher können sie Leistungen nicht richtig einschätzen oder wirksam einfordern. Regierungen verfügen nur über knappe Ressourcen, um Beamte zu bezahlen, und so weiter.
    Es gibt einen wichtigen Grund, warum Regierungsprogramme (und ähnliche Programme von Nichtregierungs- und internationalen Organisationen) oft nicht funktionieren. Das Problem ist an sich schon schwierig, und es sind eine Menge Details zu beachten. Ein Scheitern geht meist nicht auf Sabotage durch eine bestimmte Gruppe zurück, wie viele politische Ökonomen gern glauben möchten, sondern es kommt dazu, weil das gesamte System von Anfang an schlecht durchdacht war und niemand sich die Mühe gemacht hat, es zu verbessern. In solchen Fällen können Veränderungen helfen herauszufinden, was funktioniert, und gleichzeitig einen neuen Angriff im Kampf gegen die Armut einleiten.
    Die hohen Abwesenheitsraten bei den Gesundheitshelfern sind ein gutes, wenn auch tragisches Beispiel. Erinnern Sie sich an die Krankenschwestern aus dem Distrikt Udaipur (Kapitel 3)? Sie waren ziemlich wütend auf uns, weil wir an einem Projekt
mitwirkten, das sie dazu bringen sollte, zur Arbeit zu kommen. Wie sich herausstellte, waren sie es, die zuletzt lachten: Das Programm, in dem wir mit den Distriktbehörden und der Nichtregierungsorganisation Seva Mandir zusammenarbeiteten, endete in einem Fiasko.
    Das Programm war ins Leben gerufen worden, nachdem die Daten, die wir zusammen mit Seva Mandir erhoben hatten, zeigten, dass die Krankenschwestern oft mehr als die Hälfte

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