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Poor Economics

Poor Economics

Titel: Poor Economics Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abhijit Banerjee , Esther Duflo
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hatten weniger als 5 Prozent der Kinder die Grundimmunisierungen (definiert von WHO und UNICEF) erhalten.Angesichts der einhelligen Meinung, dass Impfen Leben rettet (zwei bis drei Millionen Menschen sterben jedes Jahr an Krankheiten, die man durch Impfungen hätte verhindern können), und der niedrigen Kosten (die Dorfbewohner erhalten sie umsonst) sollte man annehmen, dass alle Eltern ihre Kinder unbedingt impfen lassen wollen. Für die niedrigen Impfraten, so dachte man, mussten die saumseligen Krankenschwestern verantwortlich sein. Die Mütter hatten sicher einfach die Nase voll, ständig mit einem Kleinkind im Arm oder auf dem Rücken den weiten Weg zur Gesundheitsstation zu gehen und dann niemanden anzutreffen.
    Um dem abzuhelfen, begann Seva Mandir 2003 seine Camps zu organisieren; diese wurden breit angekündigt und fanden jeden Monat am selben Tag statt (wie unsere Daten belegen, geschah dies absolut regelmäßig und zuverlässig). In der Folge stieg die Impfrate etwas an: In den Dörfern, wo die Impfcamps abgehalten wurden, erhielten 77 Prozent der Kinder wenigstens eine Teilimpfung, das Problem war die Vervollständigung der Impfserie. Doch im Vergleich zu einem Kontrolldorf, wo die Rate für die komplette Grundimmunisierung bei 6 Prozent lag, stieg sie
in den Dörfern mit Impfcamp auf 17 Prozent an. Aber selbst mit einem qualitativ hochwertigen, privat organisierten und kostenlosen Impfservice direkt vor der Haustür der Eltern, blieben acht von zehn Kindern ohne vollständigen Impfschutz.
    Das heißt also, wir müssen die Möglichkeit ins Auge fassen, dass die Leute auch deshalb kein Gesundheitszentrum aufsuchen, weil sie an den Dienstleistungen, die sie dort erhalten könnten, Impfungen eingeschlossen, nicht wirklich interessiert sind. Warum ist die Nachfrage nach teuren, schlechten Therapien bei den Armen so groß und das Interesse an wunderbaren, billigen Vorsorgemaßnahmen so gering?
    Wie die Armen über Gesundheit denken
    Ist nichts wert, was nichts kostet?
    Wenn die Menschen billige Vorsorgemaßnahmen nicht nutzen, um etwas für ihre Gesundheit zu tun, könnte vielleicht genau das der Grund sein – dass Maßnahmen »billig« sind? Die schlichte ökonomische Vernunft gebietet eigentlich, dass die Kosten, wenn sie einmal aufgebracht wurden, keinerlei Auswirkung mehr auf den Gebrauch einer Sache haben sollten, aber wie so oft, gibt es auch andere Stimmen, die sagen, dass die ökonomische Vernunft nicht immer richtig liegt. Tatsächlich existiert so etwas wie ein psychologischer »Vergangenheitskosten-Effekt«: Wenn man für etwas viel Geld bezahlt hat, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass man es benutzt. Außerdem wird auch die Qualität oft nach dem Preis beurteilt: Etwas, das wenig kostet, taugt demnach vermutlich auch nichts.
    Alle diese Möglichkeiten können eine Rolle spielen, schließlich ist die Gesundheit ein Bereich, für den sogar Vertreter der freien Marktwirtschaft traditionell Subventionen befürworten – mit dem Ergebnis, dass die meisten der billigen nützlichen Maßnahmen unter dem Marktpreis zu haben sind. Dahinter steckt eine einfache Überlegung: Ein Moskitonetz schützt nicht nur das
Kind, das darunter schläft, sondern auch andere Kinder, die nicht mit einem Malariaerreger aus diesem Kind infiziert werden können. Eine Krankenschwester, die Durchfall mit Trinklösung statt mit Antibiotika behandelt, verhindert die Ausbreitung von Resistenzen gegen Medikamente. Jedes gegen Masern geimpfte Kind schützt indirekt auch seine Klassenkameraden. Wenn niedrige Preise für diese Maßnahmen dazu führen, dass mehr Menschen sie nutzen, werden auch alle anderen davon profitieren.
    Wenn jedoch der psychologische Vergangenheitskosten-Effekt eintritt, dann kann der (Subventionszu-)Schuss nach hinten losgehen  – der Nutzungsgrad wird niedrig sein, weil der Preis niedrig ist. In seinem Buch Wir retten die Welt zu Tode scheint William Easterly genau das anzudeuten. 31 Er verweist auf Fälle, in denen die subventionierten Moskitonetze als Brautschleier verwendet wurden. Andere Autoren berichten von Toiletten, in die man Blumen gepflanzt hatte, oder von Kondomen, die wie Luftballons aufgeblasen wurden.
    Nichtsdestoweniger legen die Ergebnisse einer ganzen Reihe sorgfältig durchgeführter Experimente nahe, dass solche Anekdoten überbewertet werden. In einigen Studien wurde getestet, ob die Leute bestimmte Dinge weniger benutzen, wenn sie sie geschenkt bekamen, und hier fanden sich keine

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