Poor Economics
Beispiel versäumten Schüler, die mit Wurmmitteln behandelt worden waren, weniger Unterricht 2 –, doch oft genug spiegeln die Fehlzeiten schlicht die Unlust der Kinder wider, in die Schule zu gehen (was ein universelles Problem sein könnte, wenn wir einmal an unsere Schulzeit zurückdenken), und das Unvermögen der Eltern, sie trotzdem dazu zu bewegen.
Manche Kritiker sehen darin Anzeichen für das katastrophale Versagen der Bemühungen einer kleinen Oberschicht, das Bildungswesen von oben nach unten auszubauen. Es hat keinen Sinn, Schulen zu bauen und Lehrer einzustellen, wenn es keine spürbare Nachfrage nach Bildung gibt. Umgekehrt gilt: Wenn eine bestimmte Fertigkeit gesucht ist, dann entsteht aufgrund der Nachfrage nach der entsprechenden Ausbildung ganz von selbst ein Angebot. Diese optimistische Auffassung passt allerdings nicht mit der Geschichte von Shantaramas Kindern zusammen. In Karnataka, dessen Hauptstadt Bangalore Indiens IT-Zentrum ist, herrscht ganz gewiss kein Mangel an Nachfrage für ausgebildete Fachkräfte. Und die Familie mit dem angehenden Lehrer in ihrer Mitte war sich sehr wohl des Wertes von Bildung bewusst und auch bereit, in sie zu investieren.
Wenn weder Probleme beim Zugang zu Bildung noch fehlende Nachfrage nach Fachkräften noch elterliche Gleichgültigkeit
bezüglich des Schulbesuchs ihrer Kinder daran schuld sind, dass die Kinder in Entwicklungsländern nicht zur Schule gehen, woran liegt es dann?
Angebot-und-Nachfrage-Debatten
Ähnlich wie die Entwicklungshilfe wird auch die Bildungspolitik heiß diskutiert. Und auch hier geht es nicht darum, ob Bildung an sich gut oder schlecht ist (vermutlich sind sich alle einig, dass es gut ist, Bildung zu erhalten). Die Diskussion kreist stattdessen um die Frage, ob Regierungen eingreifen sollten bzw. ob sie wissen, wie sie am besten intervenieren können. Obwohl die angeführten Gründe im Einzelnen unterschiedlich sind, teilt sich das Feld der Kontrahenten ähnlich wie bei der Entwicklungshilfe: Die Entwicklungshilfe-Optimisten machen sich für Bildungsinterventionen stark, die Entwicklungshilfe-Pessimisten plädieren für Laissez-faire.
Die überwiegende Mehrheit der Politikstrategen, zumindest in internationalen Zirkeln, ist traditionell der Auffassung, dass das Problem eigentlich ganz einfach zu lösen ist: Man muss die Kinder nur ins Klassenzimmer kriegen, sie von gut ausgebildeten Lehrern unterrichten lassen, und dann läuft alles wie von selbst. Wir wollen diese Leute, die das Bildungsangebot für das Wichtigste halten, als »Angebotswallahs« ( supply wallahs ) bezeichnen ( wallah ist das indischeWort für einen Lieferanten oder Vertreter), um eineVerwechslung mit den Vertretern einer angebotsorientierten Wirtschaftspolitik ( supply-siders, von supply-side economics ) zu vermeiden, die davon überzeugt sind, dass Keynes mit allem falsch lag, und die praktisch gegen jede Form staatlicher Regulierung sind.Am deutlichsten kommt die Position der Angebotswallahs in den Millennium-Entwicklungszielen der Vereinten Nationen zum Ausdruck, das sind acht Ziele, die die UN im Jahr 2000 verabschiedet haben und die bis 2015 erreicht werden sollen. In den Zielen 2 und 3 heißt es »Alle Jungen und Mädchen sollen
eine vollständige Grundschulausbildung erhalten« bzw. »In der Grund- und Mittelschulausbildung soll bis zum Jahr 2005 und auf allen Ausbildungsstufen bis zum Jahr 2015 jede unterschiedliche Behandlung der Geschlechter beseitigt werden«. Die meisten Regierungen scheinen von dieser Idee überzeugt zu sein. 95 Prozent aller indischen Kinder finden eine Schule in einer Entfernung von etwa einem Kilometer vor. 3 Mehrere afrikanische Staaten, darunter Kenia, Uganda und Ghana, haben das Schulgeld für die Grundschule abgeschafft, und die Kinder strömten in die Klassenräume. Nach Angaben des Kinderhilfswerks UNICEF schossen die Beschulungsquoten in den Regionen südlich der Sahara zwischen 1999 und 2006 von 54 auf 70 Prozent hoch. In Süd- und Ostasien stiegen sie im selben Zeitraum von 75 auf 88 Prozent. Weltweit sank die Zahl der Kinder im Schulalter, die nicht zur Schule gingen, von 103 Millionen im Jahr 1999 auf 73 Millionen im Jahr 2006. Nach den Daten aus unserem 18-Länder-Vergleich liegen die Beschulungsquoten in mindestens der Hälfte der Länder bei über 80 Prozent – und das sogar bei den Allerärmsten, die von weniger als 99 US-Cent am Tag leben.
Der Besuch der Sekundarstufe (ab der 9. Klasse) war nicht Teil der
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