Poor Economics
ist es, die »Anstöße« so zu gestalten, dass sie auf die Gegebenheiten im jeweiligen Land passen. Beim Wasserchloren daheim zum Beispiel ist das Problem, überhaupt daran zu denken. Man muss das Desinfektionsmittel kaufen und die richtige Menge ins Wasser geben, bevor jemand davon trinkt. Bei einer zentralen Wasserversorgung mit Rohrleitungen kommt das Wasser bereits gechlort ins Haus, niemand braucht daran zu denken. Toll! Wie kann man die Menschen in einer Region, wo das Wasser nicht aus der Leitung kommt, daran erinnern, es vor dem Trinken zu desinfizieren? Michael Kremer und seine Kollegen hatten eine Idee: Sie stellten einen kostenlosen Chlorspender in der Nähe des Brunnens auf, zu dem alle Leute aus dem Dorf kamen, um Wasser zu holen. Man brauchte den Knopf nur einmal zu drehen, und der Spender gab die richtige Menge Chlor ab. So wurde die Wasserdesinfektion wirklich zum Kinderspiel, und es brachte viele Dorfbewohner dazu, jedes Mal beim Wasserholen auch gleich Chlor dazuzugeben. Von allen Maßnahmen zur Eindämmung von Durchfallerkrankungen, die in randomisierten Studien untersucht wurden, war das die billigste. 39
Wir hatten weniger Glück (oder weniger Geschick) mit unserem Projekt zur Anreicherung von Mehl mit Eisen, das wir zusammen mit Seva Mandir durchführten, um die grassierende Blutarmut zu bekämpfen. Auch wir wollten ein Programm mit einer eingebauten Standardlösung konzipieren: Ein Haushalt sollte
lediglich einmal mitteilen, ob er daran teilnehmen möchte oder nicht. Dann – so war der Plan – sollte er immer angereichertes Mehl erhalten. Dummerweise erhielten die Müller einen Pauschalbetrag, egal wie viel Mehl sie anreicherten, wodurch sie von einer dem entgegenwirkenden Standardlösung ausgingen: Sie reicherten das Mehl nur dann an, wenn es gefordert wurde. Wie wir feststellen mussten, genügte der kleine Aufwand, ausdrücklich angereichertes Mehl zu verlangen, bereits, um die meisten Leute davon abzuhalten. 40
Anstupsen oder überzeugen?
Häufig verhindert die Zeitinkonsistenz, dass wir von der Absicht zur Tat schreiten. Beim Impfen fällt es jedoch schwer zu glauben, dass die Zeitinkonsistenz allein daran schuld ist, wenn Menschen die Entscheidung, etwas zu tun, hinausschieben, nachdem sie den Nutzen der Maßnahme voll verstanden haben. Diese Menschen müssten sich dauerhaft selbst belügen. Sie müssten nicht nur denken, dass sie die Zeit für den Gang zum Camp lieber im nächsten Monat aufbringen als jetzt, sie müssten auch glauben, dass sie tatsächlich im nächsten Monat gehen. Wir sind vermutlich alle ein bisschen naiv und allzu zuversichtlich, was unsere Fähigkeit angeht, irgendwann in der Zukunft das Richtige zu tun. Doch wenn Eltern wirklich vom Nutzen einer Impfung überzeugt sind, ist es unwahrscheinlich, dass sie sich Monat für Monat vormachen, sie gingen nächsten Monat zur Impfung, bis das Zwei-Jahres-Fenster vorüber und es zu spät ist. Wir werden später noch sehen, dass die Armen durchaus Wege finden, sich – wenn auch widerwillig – zum Sparen zu zwingen, was ihnen eine Menge ökonomisches Denken abverlangt. Wenn sie die Impfungen tatsächlich für so segensreich hielten wie die WHO, dann hätten sie vermutlich einen Weg gefunden, ihre Neigung zum Aufschieben zu überwinden. Plausibler scheint uns zu sein, dass beides zusammenkommt: Sie schieben das Impfen auf und sie unterschätzen den Nutzen.
Die Menschen etwas anzustupsen, ist dann besonders hilfreich, wenn sie – aus welchem Grund auch immer – den Nutzen der
vorgeschlagenen Maßnahmen bezweifeln. Gesundheitsvorsorge ist damit aus zwei Gründen ein guter Kandidat für solche Methoden: Der Nutzen tritt erst in der Zukunft ein, und es ist nicht ganz leicht zu verstehen, worin er besteht. Aber kleine Anstöße können auch bei der Überzeugungsarbeit helfen und eine positive Rückkopplungsschleife in Gang setzen. Sie erinnern sich an die Moskitonetze, die an arme kenianische Familien ausgeteilt wurden? Wir haben das Argument vorgebracht, dass die dank des Moskitonetzes erzielte Einkommenserhöhung nicht groß genug ist, um das Kind, das davon profitiert hat, dazu zu bringen, den eigenen Nachwuchs ebenfalls unter Netzen schlafen zu lassen. Selbst wenn das Einkommen später 15 Prozent höher ausfällt, steigt die Wahrscheinlichkeit, den eigenen Kindern Netze zu kaufen, nur um 5 Prozent. Doch der Einkommenseffekt ist nur ein Teil der Geschichte. Eine Familie könnte zum Beispiel beobachten, dass die
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