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Poor Economics

Poor Economics

Titel: Poor Economics Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abhijit Banerjee , Esther Duflo
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auch die Eltern ein echtes Interesse an Bildung entwickeln und entsprechend Druck auf die Lehrer ausüben, damit die ihren Pflichten nachkommen. Wenn die Qualität der Ausbildung an staatlichen Schulen zu wünschen übrig lässt, wird ein Markt für Privatschulen entstehen. Der Wettbewerb auf diesem Markt sorgt dafür, dass Eltern die Ausbildungsqualität bekommen, die sie für ihren Nachwuchs wollen.

     
    Wesentlich für die Sichtweise der Nachfragewallahs ist die Idee, dass Bildung lediglich eine andere Form von Investition darstellt: Die Menschen investieren in Bildung, so wie sie auch in andere Dinge investieren, um mehr Geld zu haben, und zwar in Form höherer Einkommen in der Zukunft. Wenn man Bildung als Investment betrachtet, taucht allerdings unweigerlich ein Problem auf: Die Eltern tätigen die Investition, und die Kinder streichen die Rendite ein, und zwar oft sehr viel später. Und obwohl viele Kinder ihren Eltern die Investition »zurückzahlen«, indem sie sich im Alter um sie kümmern, tun es manche nur widerwillig, andere drücken sich ganz. Aber selbst wenn Kinder sich als pflichtbewusst erweisen, ist damit nicht gesagt, dass sich das bisschen mehr Geld, das sie verdienen, weil sie ein Jahr länger zur Schule gehen konnten, auch für die Eltern richtig auszahlt. Bestimmt sind Sie schon einmal Eltern begegnet, die den Tag verflucht haben, als ihre Kinder reich genug waren, um in ihr eigenes Haus zu ziehen, und sie alt und einsam zurückließen. T. Paul Schultz, ein Wirtschaftswissenschaftler an der Yale University, erzählte von seinem Vater, dem berühmten Ökonomen und Nobelpreisträger Theodore Schultz, dessen Eltern ihn nicht zur Schule gehen lassen wollten, damit er zu Hause auf der Farm arbeitete.
    Natürlich sind viele Eltern stolz und glücklich darüber, dass ihre Kinder es zu etwas gebracht haben (und dass sie ihren Nachbarn davon erzählen können). In diesem Sinne können sie sich unter Umständen angemessen entlohnt fühlen, selbst wenn sie keinen Cent von ihren Kindern bekommen. Aus Sicht der Eltern ist Bildung also teils Investition, teils Geschenk für ihre Kinder. Aber es gibt noch eine andere Seite der Medaille: Die meisten Eltern nehmen ihren Kindern gegenüber eine Machtposition ein – sie entscheiden, wer zur Schule gehen darf, wer zu Hause bleiben oder arbeiten gehen muss und wie die Einnahmen verwendet werden. Eltern, denen es egal ist, wie viel sie später einmal vom Verdienst ihres Sohnes bekommen werden, wenn er alt genug ist, etwas zurückzuzahlen, und die Bildung nicht als Wert an sich schätzen, nehmen ihn vielleicht mit zehn von der Schule
und schicken ihn arbeiten. Mit anderen Worten, obwohl der ökonomische Nutzen von Bildung (in Form eines höheren Einkommens des Kindes, das eine Ausbildung genossen hat) in jedem Fall eine Rolle spielt, zählt auch eine ganze Reihe anderer Dinge, etwa unsere eigenen Hoffnungen für die Zukunft, unsere Erwartungen an die Kinder, ja auch unsere Großzügigkeit ihnen gegenüber.
    »Genau!«, rufen nun die Angebotswallahs. »Aus dem Grund brauchen manche Eltern einen kleinen Schubs. Eine zivilisierte Gesellschaft darf nicht zulassen, dass das Recht eines Kindes auf eine normale Kindheit und eine ordentliche Bildung den Launen oder der Gier eines Elternteils zum Opfer fällt.« Schulen zu bauen und Lehrer einzustellen ist ein erster wichtiger Schritt, da so die Hürden für den Schulbesuch gesenkt werden, aber das reicht möglicherweise nicht aus. Aus diesem Grund haben die Eltern in den meisten reichen Ländern keine Wahl: Sie sind gesetzlich verpflichtet, ihre Kinder bis zu einem bestimmten Alter in die Schule zu schicken (in vielen Staaten Europas ist homeschooling, also Unterricht zu Hause, zwar grundsätzlich möglich, aber nicht weit verbreitet und oft mit Auflagen verbunden). Das funktioniert allerdings nicht, wenn der Staat nicht die notwendigen Mittel hat und die allgemeine Schulpflicht nicht durchsetzen kann. In solchen Fällen müssen die Regierungen dafür sorgen, dass es sich für die Eltern finanziell lohnt, ihre Kinder zur Schule zu schicken. Dieser Gedanke steht hinter dem neuen Lieblingswerkzeug der Bildungspolitik, dem an Bedingungen gebundenen Bargeldtransfer ( conditional cash transfer, CCT).
    Die merkwürdige Geschichte des an Bedingungen gebundenen Bargeldtransfers
    Santiago Levy, ein ehemaliger Wirtschaftsprofessor der Boston University, war von 1994 bis 2000 stellvertretender mexikanischer Finanzminister; er hatte

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