Poor Economics
Landwirtschaft aufbringen, das ist eine Menge Geld für ein Kind und ganz gewiss nicht für sieben zu machen. Die Mutter des Jungen erklärte uns, dass dieser das einzige intelligente Kind in der Familie sei. Die Bereitschaft, die Worte »dumm« und »intelligent« in Bezug auf die eigenen Kinder (und oft in deren Gegenwart) zu verwenden, deckt sich absolut mit einer
Weltsicht, die einen hohen Preis für die Kür eines »Bringers« zahlt (und alle anderen dazu zu zwingt, ihn zu unterstützen). Das führt zu einer eigenartigen Form der Geschwisterrivalität. Eine in Burkina Faso durchgeführte Studie stellte fest, dass die Wahrscheinlichkeit für Jugendliche, an einer Schule angemeldet zu werden, umso höher war, je besser sie bei einem Intelligenztest abschnitten, aber umso niedriger, wenn ihre Geschwister bei dem Test gut abgeschnitten hatten. 28
Auch eine Studie zum an Bedingungen geknüpften Bargeldtransfer im kolumbianischen Bogotá fand überzeugende Belege für die Neigung, Ressourcen auf ein Kind zu konzentrieren. Das Programm, das nur über begrenzte Mittel verfügte, bot Eltern an, ihre vom Alter her in Frage kommenden Kinder an einem Losverfahren teilnehmen zu lassen. Die Eltern der Gewinner sollten eine monatliche Transferleistung erhalten, vorausgesetzt das Kind besuchte regelmäßig die Schule. Die Gewinnerkinder gingen mit größerer Wahrscheinlichkeit regelmäßig zur Schule, meldeten sich häufiger für das nächste Schuljahr an und gingen – in dem Teil des Programms, der den Collegebesuch zur Bedingung gemacht hatte – häufiger aufs College. Aber die Forscher machten auch eine beunruhigende Entdeckung: In Familien, bei denen zwei oder mehr Kinder an der Lotterie teilgenommen hatten und eines gewonnen hatte, wurde das Verliererkind seltener an einer Schule angemeldet als in einer Familie, in der beide Kinder verloren hatten. Und das obwohl sich das Familieneinkommen erhöht hatte, was dem anderen Kind hätte helfen sollen. Ein Gewinner oder eine Gewinnerin war gekürt und alle Ressourcen konzentrierten sich auf ihn bzw. sie. 29
Missverständnisse können verhängnisvolle Folgen haben. Eigentlich dürfte es keine bildungsbedingte Armutsfalle geben: Bildung nützt auf jedem Level. Doch weil Eltern glauben, der Nutzen von Bildung habe die Form einer S-Kurve, verhalten sie sich, als gebe es eine Armutsfalle, und schaffen damit unabsichtlich eine.
Elitäres Denken im Schulwesen
Die Eltern sind nicht die Einzigen, deren Erwartungen auf erfolgreich absolvierte Abschlussprüfungen fixiert sind; das gesamte Bildungssystem ist sich darin mit ihnen einig. Lehrpläne und Organisation der Schulen stammen oft noch aus der Kolonialzeit, als Schulen die Aufgabe hatten, die einheimische Elite zu engen Verbündeten der Kolonialmacht zu machen, wobei eines der Ziele war, die Distanz zwischen ihr und dem Rest der Bevölkerung zu vergrößern. Trotz der veränderten Zusammensetzung der Schülerschaft halten es die Lehrer auch heute noch für ihre Hauptaufgabe, die besten Schüler auf die schwierigen Prüfungen vorzubereiten, die in den meisten Entwicklungsländern als Tor zu den letzten Schuljahren oder zum College dienen. Damit einher gehen unermüdliche Versuche, die Lehrpläne zu »modernisieren«, um sie wissenschaftlicher zu machen und stärker auf Wissenschaft auszurichten. Die Folge waren immer dickere und immer schwerere Schulbücher – bis die indische Regierung einschritt und eine Obergrenze von 3,3 Kilo für das Gewicht der Schultaschen von Erst- und Zweitklässlern festlegte.
Einmal begleiteten wir einige Pratham -Mitarbeiter zu einer Schule in der Stadt Vadodara im Westen Indiens. Ihr Besuch war angekündigt, und der Lehrer wollte natürlich einen guten Eindruck machen: Er warf eine wahnsinnig komplizierte Zeichnung an die Tafel, einen der ausgefuchsten Beweise, für die die Euklidische Geometrie so berühmt ist, und hielt einen langen Vortrag darüber. Die Kinder (Schüler der 3. Klasse) saßen mucksmäuschenstill in schnurgeraden Reihen vor ihm auf dem Boden. Ein paar hätten vielleicht versucht, etwas, das der Figur auf der Tafel ähnelte, auf ihre winzigen Schiefertafeln zu malen, aber die Kreide war von unsagbar schlechter Qualität. Offensichtlich verstand keines von ihnen, worum es hier ging.
Dieser Lehrer war keine Ausnahme. Wir haben unzählige Beispiele dieser Art von Elitedenken bei Lehrern in Entwicklungsländern gesehen. Zusammen mit Pascaline Dupas und Michael Kremer half Esther,
Weitere Kostenlose Bücher