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Poor Economics

Poor Economics

Titel: Poor Economics Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abhijit Banerjee , Esther Duflo
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Tests mitzuhelfen und dabei direkt zu erfahren, was ihre Kinder können und was nicht. Die Eltern waren wenig erfreut von dem, was sie sahen, und nicht wenige drohten ihren Kindern im ersten Impuls mit einer Tracht Prügel. Doch schließlich bildete sich in der Gemeinde eine Gruppe von Freiwilligen, die ihren kleinen Brüdern und Schwestern helfen wollten. Die meisten waren Collegestudenten, die abends in ihren Wohnorten unterrichteten. Von Pratham erhielten sie ein einwöchiges Training, aber keinerlei Entlohnung.
    Auch dieses Programm haben wir evaluiert, und die Ergebnisse waren wirklich beeindruckend: Am Ende vermochten alle teilnehmenden Kinder, die zu Beginn nicht lesen konnten, zumindest Buchstaben zu erkennen (im Gegensatz dazu gelang das nur 40 Prozent der Kinder aus den Vergleichsdörfern). Die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder, die zu Beginn nur Buchstaben zu lesen vermochten, am Ende kurze Texte lesen konnten, war bei denen, die am Programm teilnahmen, 26 Prozent höher als bei den anderen. 24
    Seit kurzem arbeitet Pratham auch mit dem staatlichen Schulsystem
zusammen. In Bihar, dem ärmsten Bundestaat und dem Staat mit der höchsten Lehrerabwesenheitsrate, organisierte Pratham Sommernachhilfecamps für Schulkinder, zu denen die Lehrer von öffentlichen Schulen als Unterrichtskräfte eingeladen waren. Die Evaluation ergab Überraschendes: Die viel gescholtenen Lehrer im Staatsdienst kamen tatsächlich zum Unterrichten, und die Ergebnisse waren durchaus mit denen aus den abendlichen Nachhilfestunden in Jaunpur zu vergleichen.
    Die Erfolge von Pratham waren so verblüffend, dass viele Schulverwaltungen in Indien und anderen Teilen der Welt mit der Organisation zusammenarbeiten wollten. Eine Version des Programms wird gerade in Ghana getestet, eine groß angelegte randomisierte Studie, die von der Regierung und einer Forschergruppe gemeinsam organisiert wird: Junge Leute, die erste Berufserfahrungen sammeln möchten, sollen zu Nachhilfelehrern für die Schulen ausgebildet werden. Delegationen der Bildungsministerien von Senegal und Mali haben sich die Pratham -Projekte angesehen und überlegen nun, ob sie das Programm für sich übernehmen wollen.
    Die Schlussfolgerungen aus den gewonnenen Erkenntnissen verwirren: Wenn (halb)freiwillige Lehrer so große Leistungsverbesserungen erzielen, müssten Privatschulen mit denselben Methoden doch eigentlich noch erfolgreicher sein können. Und doch wissen wir, dass ein glattes Drittel der Fünftklässler an indischen Privatschulen nicht auf dem Niveau der 1. Klasse lesen kann. Warum nicht? Wenn die staatlichen Lehrer so gut unterrichten, warum sehen wir davon nichts in den öffentlichen Schulen? Wenn so große Lernfortschritte in so kurzer Zeit möglich sind, warum fordern die Eltern sie nicht ein? Warum kamen nur 13 Prozent der Kinder, die nicht lesen konnten, zu den abendlichen Nachhilfestunden in Jaunpar?
    Zweifellos stecken dahinter einige der üblichen Gründe, warum die Märkte nicht so arbeiten, wie sie sollen. Möglicherweise ist der Konkurrenzdruck zwischen den Privatschulen nicht groß genug, oder die Eltern wissen nicht richtig darüber Bescheid,
was die Schulen leisten. Die schlechten Leistungen der Lehrer im öffentlichen Dienst werden wir später im größeren politischökonomischen Zusammenhang diskutieren. Das, was Bildung eigentlich bezweckt, steht in eklatantem Gegensatz zu dem, was Eltern erwarten, was private und öffentliche Schulen bieten und was Kinder erreichen – und gleichzeitig findet eine ungeheure Verschwendung statt.
    Der Fluch der Erwartungen
    Die vermeintliche S-Kurve
    Vor ein paar Jahren hatten wir eine Art Bastelstunde für Eltern und Kinder organisiert; sie fand in einer von Seva Mandir geleiteten informellen Schule im ländlichen Udaipur statt. Wir hatten stapelweise Hochglanzmagazine mitgebracht und baten die Eltern, Bilder auszuschneiden, die ihrer Meinung nach das zeigten, was Bildung ihren Kindern bringen würde. Daraus sollten sie zusammen mit ihren Kindern eine Collage herstellen.
    Die Collagen sahen am Ende alle ziemlich ähnlich aus: Gold und Diamanten, wohin man blickte, dazwischen die neuesten Automodelle. Es hätte auch andere Motive in den Zeitschriften gegeben – schöne Landschaften, Fischerboote, Kokospalmen –, aber wenn wir den Collagen glauben, ist das nicht das, worum es bei Bildung geht. Eltern sehen in Bildung in erster Linie einen Weg für ihre Kinder, zu (beträchtlichem) Wohlstand zu kommen. Dieser Weg

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