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Poor Economics

Poor Economics

Titel: Poor Economics Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abhijit Banerjee , Esther Duflo
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sich im Durchschnitt nicht. Allerdings stellte Kremers Team fest, dass die Kinder, die schon zu Versuchsbeginn bei den Testaufgaben gut abgeschnitten hatten, in den Schulen mit Schulbüchern deutliche Fortschritte aufwiesen. Nun klärte sich einiges. An kenianischen Schulen wird in englischer Sprache unterrichtet, und die Schulbücher waren natürlich auch auf Englisch. Doch für die meisten Kinder ist Englisch die dritte Sprache (nach ihrer Stammessprache und der Landessprache Suaheli), und sie sprechen sie sehr schlecht. Englischsprachige Schulbücher sind daher für die Mehrheit der Kinder ungeeignet. 35 Solche und ähnliche Erfahrungen machten noch viele andere Forscher an anderen Orten und mit anderen Maßnahmen (von Flipcharts bis zu Verkleinerung der Klassen). All die schönen Maßnahmen nützen wenig, wenn sie nicht von Veränderungen in den Unterrichtsmethoden oder anderen Anreizen begleitet werden.
    Mittlerweile ist vermutlich klar geworden, weshalb Privatschulen dem Durchschnittskind nicht mehr Bildung bringen – alle konzentrieren sich nur darauf, die leistungsstärksten Schüler auf eine schwierige staatliche Prüfung vorzubereiten, die den Schlüssel zu Höherem darstellt, und dafür muss es immer mit Volldampf vorwärtsgehen und ein umfangreicher Lehrplan abgearbeitet werden. In der Schule, die Abhijit in Kalkutta besuchte, war es gang und gäbe, jedes Jahr die schwächsten Schüler einer Klasse hinauszuwerfen, bei den Abschlussprüfungen konnte die Schule dann mit hervorragenden Zahlen glänzen. Die kenianischen
Grundschulen haben diese Strategie übernommen, doch beginnen sie wenigstens erst ab Klasse 6 damit (Kenia hat eine achtjährige Primarschule). Weil die Eltern genauso denken, sehen sie natürlich keinen Grund, Druck auf die Schulen auszuüben, damit diese anders handeln. Auch die Eltern wollen Schulen, die das liefern, was sie sich unter einer »Elite-Ausbildung« für ihr Kind vorstellen, obwohl sie in keiner Weise beurteilen können, ob das, was sie bekommen, diesem Wunsch auch entspricht, noch ob ihre Kinder irgendeinen Nutzen davon haben. Englischsprachiger Unterricht beispielsweise erfreut sich bei Eltern in Südasien ausgesprochen großer Beliebtheit, doch Eltern, die selbst kein Englisch sprechen, können nicht wissen, ob der Lehrer tatsächlich in der Lage ist, auf Englisch zu unterrichten. Andererseits sind Eltern an Sommercamps und abendlicher Nachhilfe nicht interessiert: Ein Kind, das so etwas braucht, gehört nicht zu den Gewinnern der Bildungslotterie. Also, was soll’s?
    Gleichzeitig wird klar, warum die Sommerschulen von Pratham funktionieren. Die im Staatsdienst stehenden Lehrer scheinen zu wissen, wie man die schwächeren Kinder unterrichtet, und sie scheinen sogar bereit zu sein, sich im Sommer stärker darum zu bemühen, aber im normalen Schuljahr ist das nicht ihre Aufgabe, das hat man ihnen zumindest vermittelt. Vor kurzem haben wir in Bihar eine Pratham -Initiative ausgewertet, die zum Ziel hatte, an öffentlichen Schulen Nachhilfeprogramme einzurichten. Dafür wurden zum einen Lehrer im Umgang mit diesen Unterrichtsmaterialien geschult und zum anderen Freiwillige zu Unterrichtsassistenten für diese Klassen ausgebildet. Die Ergebnisse waren verblüffend. In den (nach dem Zufallsprinzip ausgewählten) Schulen, die sowohl die Lehrerschulung als auch die Unterrichtsassistenten hatten, waren die Fortschritte enorm und deckten sich völlig mit den Pratham -Ergebnissen, von denen wir weiter oben berichtet haben. An Schulen, an denen es nur die Lehrerschulung gab, tat sich im Prinzip nichts. Dieselben Lehrer, die in den Sommercamps so gute Arbeit leisteten, schafften es nicht, über ihren Schatten zu springen: Die Hürde, die die offizielle
Unterrichtspolitik und die Fixierung auf den Lehrplan errichten, scheint zu hoch. Doch dafür sind nicht allein die Lehrer verantwortlich. Der neue indische Right to Education Act (»Gesetz für das Recht auf Bildung«) verpflichtet per Gesetz zur Einhaltung des Lehrplans.
     
    Auf einer breiteren, gesellschaftlichen Ebene führt diese Kombination aus Vorurteilen und Fehlverhalten dazu, dass die meisten Schulsysteme unfair und verschwenderisch zugleich sind. Die Kinder der Reichen besuchen Schulen, an denen sie nicht nur besser und umfassender unterrichtet werden, sie werden auch mit Hingabe betreut und gefördert, so dass sie ihr Potenzial ausschöpfen können. Die Armen landen in Schulen, in denen man ihnen schon bald

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